Blackboxx – Theater in der Zigarettenfabrik

Seit 2013 gibt es das Blackboxx-Theater, zunächst in Charlottenburg, seit 2016 auf dem Gelände der früheren Reemtsma-Fabrik in der Mecklenburgischen Straße. „Es ist entstanden aus der Arbeit mit Studenten, die bedauerten, daß ihre Arbeitsergebnisse nach Ablauf der Prüfung nicht länger Bestand hatten“, erklärt Norbert Ghafouri, Leiter der Filmschauspielschule Berlin, der das Theater angeschlossen ist.

Norbert Ghafouri hatte nach dem Abitur Biologie und Chemie zu studieren begonnen: „Ich wollte Forscher werden.“ Er brach dieses Studium aber zugunsten einer Ausbildung zum Schauspieler ab. Diesen Wechsel empfindet er nicht als einen Bruch, im Gegenteil: „Die aufregende Welt jenseits meines eigenen Alltags kennenzulernen, hat mich immer schon fasziniert. Besonders Theaterstücke habe ich verschlungen, denn sie enthalten nur die Rede und keine Vorschriften, wie diese zu verstehen ist. Auch hier gilt es zu forschen und dann das Erforschte zu gestalten.“

Auf der Bühne – vor der Kamera

Das Blackboxx-Theater ist diejenige von Norbert Ghafouris Unternehmensgründungen, die am ehesten für die Öffentlichkeit sichtbar ist, und gleichzeitig der bisher letzte Schritt in einer Entwicklung, die Ende der 80er Jahre mit seiner Ausbildung zum Bühnenschauspieler an der vormaligen Hochschule der Künste begann. Als er nämlich erstmals vor der Kamera stand, fühlte er sich zunächst „rat- und hilflos. Die Arbeit vor der Kamera stellt zum Teil ganz andere Anforderungen an einen Schauspieler als das Spiel auf der Bühne. Dazu gehört, eine Szene mehrmals in genau derselben Weise für unterschiedliche Kamerapositionen wiederholen zu können und dabei genau die Markierungen einzuhalten, die für die Kameraeinstellung vorgegeben sind. Oder die Größe der Gesten und die Lautstärke der Stimme den jeweiligen technischen Gegebenheiten anzupassen. Oder gute Textkenntnis, denn oft ist am Set keine Zeit für Proben. Der Schauspieler muß also so perfekt vorbereitet sein, wie im Theater nach der fünften Vorstellung.“

Da es auch den erfahrenen Kollegen vom Theater so ging, daß sie sich nicht wirklich sicher vor der Kamera fühlten, gründete Norbert Ghafouri 1995 die Coaching Company Berlin. Deren Zweck ist eine Art Weiterbildung, indem Schauspieler gezielt bei der spezifischen Arbeit vor der Kamera unterstützt werden. In den folgenden Jahren sind mit dem immer hektischeren Drehbetrieb und der zunehmenden „Digitalisierung“ – hier: der elektronischen Selbstvermarktung der Schauspieler – weitere Aufgaben hinzugekommen, z.B „ein ‚Showreel‘ zu drehen, also eigene dramatische Szenen aufzunehmen, um sich Produzenten, Regisseuren und Castern zu präsentieren. Oder die Herstellung eines Videos, um sich auf eine bestimmte Rolle zu bewerben – ‚E-Casting‘ statt persönliches Vorsprechen “.

Duale Ausbildung für Schauspieler

Der nächste Schritt für Norbert Ghafouri war 2005 die Gründung der Filmschauspielschule, in der die Ausbildung für Bühne und Kamera gleichwertig sind. „Historisch gesehen entwickelte sich die Ausbildung der Schauspieler so, daß sie ursprünglich direkt auf der Bühne stattfand. In einem nächsten Schritt wurde die Ausbildung in theatereigene Schulen ausgegliedert. Daraus entstanden später private Schulen und dann erst die staatliche Ausbildung.“ Als Norbert Ghafouri feststellte, daß die staatlichen Schulen kein Interesse an einer Filmausbildung zeigten, gründete er seine eigene Schauspielschule. „Wir nehmen Film so ernst wie Theater.“ Seitdem haben auch die staatlichen Schulen dieses Thema für sich entdeckt.

Die Ausbildung an der Filmschauspielschule beginnt, wie an jeder Schauspielschule, mit der Vermittlung der Grundfertigkeiten. „Dazu gehört es, Texte analysieren, verstehen, mit allen Facetten durchdringen und natürlich auch auswendig lernen zu können. Man muß Situationen, Figuren und Konflikte erfassen, seine Rolle gestalten und innere Vorgänge sichtbar machen, improvisieren und auf den Partner reagieren. Das Schauspielhandwerk zu erlernen ist eine persönlichkeitsbildende Tätigkeit, denn es ist nötig, Einfühlungsvermögen zu entwickeln, um sich in Menschen hineindenken und -fühlen zu können – in erster Linie in andere, aber dabei auch in sich selbst.“ Parallel dazu wird in der dreieinhalbjährigen Ausbildung zu gleichen Teilen auf die Besonderheiten von Bühne und Film vorbereitet. „Auf der Bühne geht es darum, die Figur, ihr Denken und Handeln über große Distanz bis zu den Zuschauern in der letzten Reihe zu transportieren. Vor der Kamera muß man dagegen, wegen der Nähe der Kamera, die Figur mit feinem Pinsel zeichnen können. Heutzutage wird hochauflösend gedreht – der Zuschauer sieht also alles!“

Und nach der Schauspielausbildung?

Mehr als doppelt so viele ausgebildete Schauspieler stehen in Deutschland den zu besetzenden Stellen auf der Bühne, in Film und Fernsehen gegenüber. So gibt es einen fortwährenden Konkurrenzkampf um einen der meist nur auf einen Dreh befristeten Arbeitsplatz. Dasselbe gilt aber auch für die anderen dazugehörigen Berufe, also für Regieassistenten, Kostüm- und Maskenbildner, Kameraleute, Tonmeister, technisches Personal und viele mehr. „Die Vorstellung, nach der Ausbildung kommen Hollywood und Ruhm, ist vollkommen unrealistisch. Ebenso, zu sagen: ‚Mach‘ ich nicht‘, wenn es um Serien fürs Nachmittagsprogramm geht. Gerade Serien, Telenovelas und Soaps stellen hohe Anforderungen an Schauspieler. Während ein ganzer Drehtag für einen Spielfilm am Ende nur drei Minuten Filmspielzeit ergibt, sind es bei Serien 30 bis 50 Minuten Sendezeit, die pro Tag produziert werden. Das schaffen mit Qualität nur wirklich gute Schauspieler, und das bedeutet, jeden Tag unter Umständen von 5 Uhr morgens bis 21 Uhr zu arbeiten, jeden Tag neuen Text zu lernen, konzentriert zu arbeiten.“

Blackboxx-Theater

Damit zurück zum Blackboxx-Theater. „Wir zeigen im Blackboxx-Theater also Examensarbeiten von Studenten, aber auch Eigenproduktionen, die außerhalb zur Ausbildung entstanden sind. Und es finden Gastspiele statt. Ziel ist, das Theater in Zukunft unabhängig von der Schule zu bespielen.“ Das könnte im Jahr 2025 der Fall sein, wenn das ehemalige Reemtsma-Gelände bis dahin in ein neues Gewerbegebiet umgestaltet ist. Vermutlich wird daher, nach dem im Sommer 2019 stattgefundenen internen Umzug auf dem Gelände, ein weiterer Umzug fällig, damit am Ende das Theater zusammen mit einem Kino den Mittelpunkt des Areals bildet, wie es im November 2019 über die Pläne des Eigentümers hieß. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, und wer in den nächsten Jahren zu Aufführungen des Blackboxx-Theaters gehen will, sollte darauf achten, denjenigen Zugang über das weitläufige Gelände zu nehmen, der fast neben den Kleingärten liegt. So gelangt man zu dem sechsgeschossigen ehemaligen Verwaltungsgebäude, in dem das Theater zur Zeit angesiedelt ist.

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