Kaiser Wilhelm lebt I: Barstraße und Barbrücke

Rings um den Dorfkern von Wilmersdorf, die Wilhelmsaue, gibt es eine Reihe von Straßen, die ihren Namen zu Ehren des „Heldenkaisers“ Wilhelm I. (1797-1888) erhalten haben. Das fängt schon mit der Wilhelmsaue selbst an, der Dorfstraße, die um 1874 patriotischerweise zur Wilhelmstraße wurde und dann 1888, wenige Tage nach des Kaisers Tod, zur poetisch anmutenden Wilhelmsaue. Andere Straßennamen erinnern an seine Taten aus der Zeit von 1814 bis 1870:

  • Befreiungskriege 1813-15: Barstraße; siehe dazu den Text unten.  (Auch die Brienner Straße nimmt Bezug auf die Befreiungskriege, u.zw. auf die Schlacht bei Brienne-le-Château 1814, jedoch ohne Beteiligung des späteren Kaisers; wird auch von französischer Seite als Sieg reklamiert.)
  • Revolution von 1848/49: Badensche, Bruchsaler, Durlacher, Kuppenheimer, Waghäuseler Straße. An diesen badischen Orten wurde der Versuch von Demokraten, die Märzrevolution von 1848 doch noch zu vollenden, von preußischen Truppen unter Oberbefehl des „Kartäschenprinzen“ und späteren Kaisers Wilhelm niedergeschlagen (siehe auch Informationstafel im Volkspark).
  • Preußisch-österreichischer Krieg 1866: Nassauische Straße. Nach dem Sieg im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland annektierte Preußen das feindliche Herzogtum Nassau (siehe dazu Teil 2).
  • Deutsch-französicher Krieg 1870/71: nochmals Barstraße; Pfalzburger Straße, benannt nach einer 1870 eingenommenen französischen Festung in Lothringen.
             Barstraße und Barbrücke

Die Straße
Die Barstraße wurde um 1885 als direkte Verbindung zwischen Fehrbelliner Platz und Heidelberger Platz angelegt und trug zunächst die Bezeichnung Straße 34a. 1892 erhielt sie ihren jetzigen Namen.

Der Name der Straße
Die Namensgebung fiel in die Zeit, als das Dorf auf dem Weg zur Großstadt war. Offenbar sah man es als dafür förderlich an, sich patriotisch zu geben, wozu der „Heldenkaiser“ hervorragend geeignet war. Die Barstraße hat sogar einen doppelten Bezug auf ihn. Ihr Name ist abgeleitet von der Gemeinde Bar-sur-Aube, etwa 200 km östlich von Paris. Dort nahm Wilhelm 17jährig als Kronprinz und Hauptmann 1814 im Rahmen der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich an einer Schlacht teil und erhielt dafür von Vater Friedrich-Wilhelm III. das Eiserne Kreuz. Das war seine erste Heldentat.
56 Jahre später, im November 1870, fand im Verlauf des Deutsch-französischen Krieges dort erneut eine Schlacht statt, die wieder die Preußen – diesmal unter Wilhelm als preußischem König und Oberbefehlshaber der gesamten Armee – gewannen.

Der See
Die Barstraße überquert eine in West-Ost-Richtung verlaufende eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die ein Nebenarm der Grunewaldrinne ist. Dieser Nebenarm erstreckt sich vom Herthasee über den Volkspark bis zum Rathaus Schöneberg und wurde im östlichen Teil bis in die 1880er Jahre über den Schwarzen Graben entwässert. In dem tiefen Einschnitt an der Barstraße befand sich ursprünglich kein See – der lag weiter östlich auf Höhe der Auenkirche –, sondern ein Fenn (Sumpf). Erst 1903 wurde der heutige Fennsee als naturnahes Regenrückhaltebecken künstlich angelegt.

Die Brücke
Wichtig für die Umwandlung der Landgemeinde Wilmersdorf in eine Großstadt war die Schaffung von Neubaugebieten für wohlhabende Berliner samt schnellen Verbindungen mit Berlin. Dafür bot sich die U-Bahn an. Daher schloß die Gemeinde mit der Hochbahngesellschaft einen Vertrag, um mit einem guten Verkehrsanschluß die Realisierung der „Gartenterrassenstadt Rheinisches Viertel“ rund um den Rüdesheimer Platz anzufeuern. Dafür mußte das Fenn überquert werden. 
Da die selbständige Gemeinde Wilmersdorf damals mit Schöneberg in Konkurrenz um Zuzügler aus Berlin lag, mußte diese Brücke mindestens genauso prunkvoll ausfallen wie das 1910 fertiggestellte Gegenstück am Rathaus Schöneberg. Der Architekt Wilhelm Leitgebel – von dem auch der U-Bahnhof Heidelberger Platz stammt – entwarf eine kombinierte Straßen-U-Bahn-Brücke, ebenfalls im neoromanischen Stil, mit Wandelhallen beiderseits der Bahngleise. 1911/12 wurde die Brücke unter Verwendung von rheinischer Basaltlava und schlesischem Granit erbaut.

1935 mußte sie durch einen Neubau ersetzt werden. Es hatte nämlich erhebliche Setzungen gegeben, weil die 1200 Pfähle der Gründung nicht lang genug waren, um ein solches Brückengewicht an einer Stelle zu tragen, wo es bis zum festen Grund 15 bis 20 m sind. Daher wurde auf den ursprünglichen Unterbau mit seinem grob behauenen Natursteinmauerwerk ein neuer Überbau in leichterer Stahlbetonkonstruktion gesetzt. Dabei fielen die Wandelgänge weg; auf den nunmehr freien Flächen zwischen den Außenwänden des U-Bahntunnels und den mittig verlaufenden Gleisen sind jetzt Rohre verlegt, die keinen Platz zwischen Fahrbahn und Tunneldecke haben.

Der Name der Brücke
Ursprünglich hatte man sie 1912 Seeparkbrücke genannt und gleichzeitig die Straßen beiderseits des Fenns Am Seepark benannt. Diese Namensgebungen hingen mit den Plänen zusammen, längs des gesamten Fenns von der Rudolstädter Straße bis zum Rathaus Schöneberg einen Park anzulegen – mit dem Wilmersdorfer See als Kernstück.
Der Wilmersdorfer See wurde (bis 1920) zugeschüttet, die beiden Straßen 1922 zur Hindenburgstraße, der Seepark zum Hindenburgpark, und die Brücke selbst erhielt bei ihrer zweiten Fertigstellung 1935 den Namen der Straße. Nur die vielen Pläne blieben meist Pläne.

Die Zukunft der Brücke
Mit einem Alter von 111 Jahren für den Unterbau und 88 Jahren für den Oberbau scheint sich die Nutzungszeit der Brücke allmählich ihrem Ende zuzuneigen – denn offenbar sieht die zuständige Senatsverwaltung bei der Barbrücke nicht mehr die statischen Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Nutzung voll erfüllt: Zwar wurden noch keine Parkverbote oder Gewichtsbeschränkungen für den Verkehr erlassen, aber man ließ auf die beiden Straßenränder durchgehende Hindernisse bauen, um ein Parken auf dem Bürgersteig zu verunmöglichen.

Dies ist die gekürzte Version des ursprünglichen Beitrags im Kiezer Weblog. Dort finden sich weitere historische Abbildungen und Materialhinweise.

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