Yu-Gi-Oh!

Kartenspiele sind im 12. Jahrhundert in Ostasien entstanden. Seit dem späten 14. Jahrhundert verbreiteten sie sich in Europa. Heutzutage gibt es unzählige Kartenspiele. Viele von ihnen – wie Bridge, Skat, Einundfünfzig, Rommé, Patience – haben trotz aller Unterschiede gemeinsam, daß sie mit einem französischen (oder deutschen) Blatt gespielt werden. Daneben gibt es weitere Kartenspiele, deren Karten speziell für ihren Spielzweck entworfen sind – zum Beispiel Quartette oder Die Siedler von Catan. Aber so verschieden im Vergleich zueinander die Karten aller genannten Spiele auch aussehen, so hat doch jedes dieser Spiele einen einheitlichen Kartensatz für alle Teilnehmer. Das ist jedoch bei den Sammelkartenspielen völlig anders; hier stellt sich jeder Spieler seinen individuellen Kartensatz selbst zusammen.

Sammelbilder und Sammelkarten

Sammelbilder gab es seit dem 19. Jahrhundert als Zugabe beim Kauf bestimmter Waren. Im Laufe der Zeit verselbständigten sich die Bildchen und werden tütchenweise verkauft, etwa Spielerbildchen aus Anlaß einer Fußballmeisterschaft, um damit ein Album möglichst vollständig zu füllen. Derweilen sind Sammelalben ein Standard-Mechandising-Artikel für Kinofilme (Herr der Ringe, Star Wars), TV-Serien (Buffy, Akte X) und populäre Romane.
Der nächste Schritt war dann der hin zu Sammelkarten, die als Spielkarten dienen. Typisch für diese Spiele ist, daß es unzählige verschiedener Karten gibt – zu denen immer wieder neue dazukommen –, alle unterschiedlich häufig und mit unterschiedlichen ‚Fähigkeiten‘ im Rahmen des Spiels. Populäre Sammelkartenspiele sind Pokémon und Yu-Gi-Oh!. Die Spielkarten werden in speziellen Läden verkauft. Einer liegt in der Detmolder Straße. Er ist gleichzeitig ein Treffpunkt, wo man miteinander spielen kann und wo Turniere stattfinden.

Yu-Gi-Oh!

Yu-Gi-Oh! ist japanisch und heißt „König der Spiele“. Der Ursprung des Kartenspiels ist eine japanische Comic-Serie (Manga) über das Spielen von Computerspiele (Gaming), die seit 1996 erschien. Daraus wurde eine Zeichentrickfilmserie (Anime) und dann das Kartenspiel, das sich seitdem über die ganze Welt verbreitet hat. Es wird geschätzt, daß bis Januar 2021 etwa 35 Milliarden Spielkarten weltweit verkauft wurden. Yu-Gi-Oh! ist ein Fantasy-Spiel, in dem sich Monster bekämpfen. Ziel ist es, die 8000 Lebenspunkte des Gegner auf 0 zu bringen.

Eine Sammelkarte

„Jeder Spieler stellt sich seinen Kartensatz selbst zusammen, indem er Karten kauft. Das Angebot reicht von der Einsteigerpackung mit 40 Karten über den ‚Booster‘ mit 24 Tütchen à 9 Karten bis zu einzelnen Karten, die pro Stück über 100 Euro kosten können. Mit der Einsteigerpackung kann man spielen, aber nicht wirklich gewinnen“, erklärt Ladeninhaber Thiemo Wagner. Die über 10.000 Karten, die es bereits gibt, erlauben eine Vielzahl von Strategien, um den Gegner zu besiegen. So kann sich der Spieler zum Beispiel einen Kartensatz (Deck) zusammenstellen, mit dem er Monster aus dem Spiel verbannt und dadurch den Gegner handlungsunfähig macht. Der Gegner kann wiederum mit einer speziellen Karte alle Monster gleichzeitig zurückholen und den Spieler mit einem Schlag besiegen, vorausgesetzt daß er diese Karte in seinem Deck im richtigen Augenblick zieht. So hat jedes Deck mit der ihm zugrunde liegenden Strategie seine Stärken und Schwächen. „Es gibt Decks, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt als besonders erfolgreich erweisen. Aber da der Hersteller immer wieder mal neue Karten herausgibt, ergeben sich neue taktische Möglichkeiten – und die Notwendigkeit, die neuen Karten zu kaufen. Auch nimmt der Hersteller alle paar Monate Regeländerungen vor, etwa das Verbot, bestimmte Karten einzusetzen, oder indem ihre Benutzung limitiert wird.“

Grundzüge des Spiels

„Jeder der beiden Spieler (Duellanten) hat drei Decks. Das erste ist das Hauptdeck mit 40 bis 60 Karten, die verdeckt und gemischt sind. Die fünf Karten der Starthand und weitere Karten im Spielverlauf werden hier abgehoben.“ Die Karten des Hauptdecks bestehen aus Monster-, Zauber- und Fallenkarten. Sie tragen Texte, die ihre Anwendung und Wirkung bei Angriff und Verteidigung beschreiben. „Diese Texte sind oft umfangreich und komplex. Man muß viel Zeit investieren, um sie auswendig zu lernen. Im zweiten Deck, dem Extradeck, sind 15 weiteren Monsterkarten, die ebenfalls verdeckt sind, aber der Spieler darf sie jederzeit ansehen. Das dritte Deck ist wie eine ‚Ersatzbank‘ mit ebenfalls 15 Karten.“ Sie werden für einen eventuellen Strategiewechsel benötigt. Jeder der beiden Duellanten hat vor sich sein eigenes Spielfeld, auf dessen 15 Zonen er seine Karten nach bestimmten Regeln offen oder verdeckt ablegt. Ausgeschiedene Karten kommen auf den ‚Friedhof‘‘, von wo sie aber eventuell zurückkommen können.

Es wird abwechselnd gespielt. Jeder Spielzug hat sechs Phasen, in denen Monster in Position gebracht und mit ihnen angegriffen wird. Ein Match besteht aus maximal drei Duellen. Sieger ist, wer zwei Duelle gewinnt oder eins gewinnt und zwei unentschieden spielt. „Es finden Turniere auf allen Ebenen statt, darunter auch jedes Jahr in Europa eine Serie von vier internationalen Großturnieren (Yu-Gi-Oh! Championship Series – YCS), die im Internet übertragen werden. Keiner scheidet aus, wenn er ein Match verliert, sondern am Ende werden die Punkte jedes Spielers zusammengezählt und so der Sieger ermittelt. An solch einem Turnier nehmen 1500 bis 2000 Spieler teil. Der Sieger erhält keinen Geldpreis, sondern eine normale Spielkarte, die durch ihre Bezeichnung als Preiskarte wertvoll ist. Im Internet haben manche Spieler eine Fangemeinde, sie geben Interviews und Autogramme und beantworten Fragen zu Karten.“ Die Karten tragen Namen wie „Scheußliche Kammer der Losgeketteten“, „Entfesselung der Protuberanzflamme“, „Dunkel-aufrichtig“, sie glitzern punktuell, können Hologramme haben, verspiegelte Elemente oder eingestanzte Teile, die tastbar sind.

Noch einiges rund um das Spiel

„Die Spieler hier vor Ort sind im Durchschnitt Mitte 20. Manche haben das Spiel auf dem Schulhof kennengelernt, andere sind über die Trickfilmserie auf RTL 2 damit in Kontakt gekommen. Die Spieler sind zu 99 % männlich.“ Warum fast keine Frauen? „Das liegt wohl an der Thematik, die sie nicht so interessiert. Viele sind Schachspieler. Das könnte damit zu tun haben, daß Yu-Gi-Oh! ebenfalls ein sehr komplexes Spiel ist. Ein Unterschied zu Schach ist allerdings, daß man in größter Not die eine Karte aus seinem Hauptdeck zieht, die alles umdreht.“ Einer der Besucher des Ladens, Johannes Urbicht, Archäologe, Gewinner des YCS 2019 in Gent, bestätigt: „Das ist wie Schach, aber mit über 10.000 Figuren. Yu-Gi-Oh! hat den Ruf, weltweit das komplexeste Kartenspiel zu sein.“ Und Thiemo Wagner ergänzt: „Dagegen kommt mir Rommé und jedes andere Kartenspiel eindimensional vor.“

Bearbeitete Fassung eines Berichtes, der zuerst im Heft August/September 2021 von KiezWilmersdorf erschien.

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