Praktische Schule: Schülerfirma „BoZz Catering“

An der Sekundarschule Wilmersdorf in der Kranzer Straße 3 gibt es zwei aufeinander aufbauende, je zweijährige Wahlpflichtkurse, in denen es, kurz gesagt, um Kochen und Service am Kunden geht. Teilnehmer aus den Klassen 7 bis 10 lernen alles Notwendige von der Planung bis zur Abrechnung, um Aufträge von innerhalb und außerhalb der Schule auszuführen. Wir haben mit Kursteilnehmerinnen und ihren Lehrerinnen gesprochen.

Eine Schule mit 110 Jahren praktischer Ausrichtung

Als vor 110 Jahren, also zwei Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs, das Schulgebäude in der Kranzer Straße fertiggestellt war, zog dort ein Realgymnasium ein – damals neben dem humanistischen Gymnasium der zweiter Weg zum Abitur. Ab den 1950er Jahren nutzte eine Realschule (zunächst noch unter der Bezeichnung Oberschule Technischer Zweig) das Gebäude. Mit der Verschmelzung von Haupt- und Realschulen durch die Schulreform von 2010 ist die Schule jetzt eine Sekundarschule. Sie und all ihre Vorgängerinnen haben gemeinsam, dass sie praxisorientiert sind.


Haupteingang der Sekundarschule Wilmerdorf (Foto: Schülergenossenschaft)

Die Schülerfirma „BoZz Catering“

Dieses Merkmal der Praxisorientierung trifft ganz besonders auf die beiden seit dem Schuljahr 2013/14 hier angebotenen Wahlpflichtkurse „Schülerfirma BoZz Catering“ zu. Ihr erster Teil wendet sich an Schüler der 7. und 8. Klasse und bereitet sie auf die Mitgliedschaft in der Schülergenossenschaft für Schüler der 9. und 10. Klasse vor. Hier wird alles gelernt, was man für die Zubereitung und das Servieren von Speisen und Getränken können muss – „von der Planung, über den Einkauf, das Kochen, Servieren und Aufräumen bis hin zur Abrechnung und Buchhaltung“, wie es auf der Website der Schule heißt. Die Aufträge kommen aus der Schule selbst und von außerhalb.

Die fünf Schülerinnen und ihre beiden Lehrerinnen (Foto: Schülergenossenschaft)

In die Betreuung der Kurse teilen sich Line Koehn und Sabine Simunovic, die auch stellvertretende Schulleiterin ist: „Ich bin Fachlehrerin für Arbeitslehre, und als 2014 ‚Not am Mann‘ war, sprang ich ein, weil Kochen ein Hobby von mir ist. Das ist dann zu einer Dauerbeschäftigung geworden. Wir beiden nehmen an allem teil, was auch die Schüler machen, also kochen, organisieren, sich um Buchhaltung und Geschäftsberichte kümmern.“ Und dann erklärt Sabine Simunovic, warum der Wahlpflichtkurs genossenschaftlich organisiert ist: „Zu Beginn, im Jahr 2013, kam in einer Praxisklasse die Frage auf, wie denn die Schülerfirma rechtlich organisiert werden soll, denn alle Teilnehmer wollten ein Mitspracherecht haben. Da kam nur eine Genossenschaft infrage. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützte die Schüler bei der Gründung und brachte sie mit der Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle in Verbindung. Dort war man daran interessiert, den Genossenschaftsgedanken zu fördern, und unterstützt seitdem die Schülerfirma mit Rat und Tat.“ Die Leitlinien von Genossenschaft fasst Dirk Lauch, Pressesprecher der Märkischen Scholle, so zusammen: Es sind die Prinzipien „Solidarität, Miteinander, Gerechtigkeit – und gerechtes Wirtschaften“.
Zur Zeit nehmen am Kurs für die 7. und 8. Klasse 16 Schüler teil, am Kurs für die 9. und 10. Klasse, der eigentlichen Schülerfirma, 18, wobei die Mädchen etwas überwiegen. Mit fünf Teilnehmerinnen, alle aus der 9. Klasse, haben wir gesprochen, mit Evelin, Karla, Klaudia, Lorena und Mila.

Fünf Teilnehmerinnen berichten

Kurswahl und Vorkenntnisse    Zunächst fragten wir, warum sie diesen Kurs gewählt und ob sie schon Vorkenntnisse im Kochen hätten. Klaudia hatte schon zuhause in der Küche geholfen, ebenso Mila und auch Evelin: „In der Grundschule war ich auch in einem Kochkurs.“ Lorena konnte sogar backen; „ein bisschen musste ich es mir selbst beibringen, denn oft waren ich und mein Bruder alleine“. Für Karla war Kochen noch Neuland.

Bisherige Tätigkeiten   Viele unterschiedliche Tätigkeiten müssen zusammenkommen, damit gekocht, serviert und zum Schluss abgerechnet werden kann. Mila und ihre vier Kolleginnen haben schon an allem teilgenommen. In ihren Antworten wird deutlich, wie vielfältig die Anforderungen sind: So erwähnt Evelin, dass sie Rezepte herausgesucht und umgeschrieben hat. Lorena bäckt am liebsten. Karla hat „schon gekocht, abgewaschen und geputzt. Angebote geschrieben und die Buchhaltung habe ich auch schon gemacht.“ Und Klaudia hat „Schränke und Inventar überprüft, abgetrocknet, gespült – halt alles gemacht. Am liebsten wasche ich ab.“

Auftraggeber   Die Schüler von BoZz Catering betreiben ja nicht Trockenschwimmen in ihrem Kurs, sondern beliefern ihre Auftraggeber „echt“ mit selbstgemachten Speisen und Getränken. Wer sind solche Auftraggeber? Einer von ihnen war das Gustav-Adolf-Werk, das für seinen diesjährigen Neujahrsempfang die Schülergenossenschaft gebucht hatte. Mila erinnert sich: „Beim Neujahrsempfang in der Gedächtnis-Kirche habe ich geräumt und das Fingerfood angerichtet.“ Auch Karla war dort aktiv: „Da habe ich das Essen auf dem Tisch aufgebaut und vorher dafür in der Schule gekocht.“ Klaudia hatte die Platten angerichtet. Ein weiterer Auftrag war eine Hochzeit, für die Lorena das Catering angeliefert, dort aufgebaut und angerichtet hat. Evelin schließlich denkt gern an die Verleihung des Qualitätssiegels durch das Fachnetzwerk der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung im September 2020, als „unsere Schülerfirma den 2. Platz deutschlandweit erreicht hat und wir Geld bekommen haben, da habe ich mit Lorena Getränke und Kuchen ausgegeben“. Es gab auch schon Aufträge im Schloss Bellevue, im Abgeordnetenhaus oder für die Senatsverwaltung. Die teilnehmenden Schüler haben mittlerweile ihren Schulabschluss.

Schulintern   Die Schülerfirma nimmt auch am Schulalltag teil durch ihre Unterstützung für die schuleigene Cafeteria. Allerdings war diese Aktivität durch die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren sehr eingeschränkt. Mila berichtet, „wir kochen und schnippeln in der Schulküche“, und Lorena weiß, dass „ da in den Pausen auch jemand aus dem Kurs beim Bedienen hilft“.

Genossenschaft   Die Idee, die Schülerfirma als Genossenschaft zu gestalten, findet bei den fünf Schülerinnen einhellige Zustimmung wie hier bei Evelin: „Jede Stimme und Meinung zählt. Keiner wird benachteiligt.“ Karla gefällt dies: „Es klappt so, dass wir keine Befehle bekommen, sondern auch selber entscheiden können.“ Dass alle gleich sind, ist Lorena und Klaudia wichtig. Und Mila hebt hervor: „Wir unterstützen uns alle gegenseitig.“

Berufswahl   Und welchen Einfluss hat die Kursteilnahme auf die Berufswahl? Karla hat bereits einen ganz anderen Beruf im Auge. Evelin weiß es noch nicht. Mila und Klaudia fanden es interessant, verschiedene Rezepte kennenzulernen, wollen aber nicht in der Gastronomie arbeiten. Anders Lorena: „Ja, ich hätte gerne eine kleine Bäckerei.“ Und ihre Lehrerin, Frau Simunovic, ergänzt: „Derzeit lernt ein Schüler, der vor zwei Jahren abgegangen ist und in der Schülergenossenschaft aktiv war, auch im Vorstand tätig war, Koch und ist im 2. Lehrjahr. Ein Schüler, der aktuell in unserem Kurs ist, hat bereits ein Schulpraktikum in einer Hotelküche absolviert und wird nach seinem Schulabschluss im Sommer mit einer Ausbildung zum Koch beginnen.“

Dies ist die gekürzte Fassung eines Beitrags aus dem Heft Juni/Juli 2022 von KiezWilmersdorf.

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