Sechs Straßenbäume: Am Anfang stand das Wahlkampfwort – und dabei wird’s wohl bleiben

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf,

das Leben Ihrer Parteien wird alle fünf Jahre durch Wahlen sehr erschwert. Müssen Sie dann doch möglichst vielen Wählern möglichst viele attraktive Wahlversprechen in Ihren Wahlprogrammen vorlegen. Als Renner der Stunde bietet sich da zur Zeit immer wieder Grün an. Und da jeder Wähler Straßenbäume – oder oft auch, da sie vor Jahren gefällt und nie wieder neu angepflanzt wurden, nicht – vor der Haustür hat, sind Wahlversprechen zu Straßenbäumen und deren sofortiger Nachpflanzung bei Ihnen beliebt: fünf Ihrer sechs Fraktionen hatten sie im Angebot. Dabei ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie selbst die Parteien, die seit Jahr und Tag die Bezirks- und Landespolitik mitbestimmen, in den Chor der Ankläger gegen eine verfehlte Straßenbaumpolitik einstimmen. Und bei der Gelegenheit mal wieder ein „Pflanzkonzept“ ankündigen, „das die neuen Bedarfe des Klimawandels erfüllt (mehr Schatten* und hohe Verdunstung)“ (Zählgemeinschaftsvereinbarung von B90/Die Grünen und SPD für 2021-2026, S. 13; im Januar 2024 Link gelöscht).

So begab es sich also, daß nur 7 Tage nach unserem ersten Offenen Brief vom 6. Januar, in dem wir Ihnen die Spende je eines Baumes an einem bestimmten Standort vorschlugen – daß also am 13. Januar aus dem Hause des von B90/Die Grünen gestellten Bezirksstadtrats (Straßen- und Grünflächenamt, Fachbereich Grünflächen, Straßenbauminspektion) eine Pressemitteilung erschien, in der nunmehr umgekehrt wir Bürger eingeladen wurden, bis zum Monatsende einen Standort für eine Neupflanzung mitzuteilen – und zu spenden.

Ob aufgrund dieses Aufrufs des Bezirksamtes sich Mitglieder Ihrer sechs Parteien privat zu einer Spende bemüßigt fühlten, wissen wir nicht. Wir wissen nur von B90/Die Grünen, Die Linke und FDP und als Nachzügler CDU, daß Sie jedenfalls genau diesen Vorschlag von Anwohnern der Wilhelmsaue und nächsten Umgebung entschieden ablehnen. Und dabei zum Teil Ihrerseits auf diesen Aufruf des Bezirksamts verweisen. So beißt sich die Katze in den Schwanz, denn hat man sich mit Vorschlägen an das Grünflächenamt gewandt, erhielt man vermutlich eine ähnliche Antwort wie eine Anwohnerin:

„Eine Pflanzung könnte frühestens im Herbst 2022 oder im Frühjahr 2023 erfolgen. Aufgrund der hohen Nachfrage und der begrenzten Mittel für Neupflanzungen kann ich Ihnen leider keine verbindliche Zusagen machen.“

Schade, aber der Umbau des Olivaer Platzes (4,8 Mio. € im Zuge der Maßnahme „Aktives Zentrum City West“) und des Preußenparks (mind. 11,44 Mio. €, wie aus den Akten des BA hervorgeht) verschlingen einfach schon zuviel Steuergelder. So sind jede Art von öffentlichen Einrichtungen – wie Schulen, Brücken und eben auch Grünanlagen – in einem miserablen Zustand, weil es Politikern wichtiger ist, sich mit Neubauten ein Denkmal zu setzen, als für den Erhalt des Bestehenden ordentlich zu sorgen. Man könnte daher denken, daß Sie mit Ihren Wahlprogrammaussagen ebenso wie das Bezirksamt mit seinem Aufruf den Bürgern etwas in Aussicht stellen, von dem Sie aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung wissen müssen, daß das grüne Wolkenkuckucksheime sind.

Übrigens, Sie von der AfD und der SPD haben überhaupt nie geantwortet.

Und Sie von B90/Die Grünen, CDU, Die Linke und FDP, die Sie geantwortet haben, haben das in privaten Emails getan und damit die vielbeschworene Öffentlichkeit („Transparenz“) wieder einmal so gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

Daß keine Fraktionsgelder für Spenden von Straßenbäumen verwendet werden dürfen, wissen wir selber. Aber hätten Sie nicht wenigstens ein bißchen guten Willen zeigen können und die mögliche Ernsthaftigkeit Ihres Wahlversprechens dadurch unterstreichen, daß zumindest der eine oder andere engagierte Lokalpolitiker aus Ihrer Fraktion als Privatperson ein paar Euro für seinen von uns vorgeschlagenen „Fraktionsbaum“ gegeben hätte? Vielleicht hätten Sie ja durch Ihr Vorbild Ihre Wähler ebenfalls dazu angespornt und vor der Öffentlichkeit als Straßenbaum-Partei geglänzt?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Rosenberg
Michael Roeder
für die namenlose Bürgerinitiative vom Mittelstreifen

Fußnote:
* Eine Frage nebenbei: Warum ist dann eigentlich auf dem Olivaer Platz eine so große baumlose Fläche geschaffen worden? Oder war das vor Ihrem Pflanzkonzept? [zurück]

1 Kommentar zu „Sechs Straßenbäume: Am Anfang stand das Wahlkampfwort – und dabei wird’s wohl bleiben“

  1. Parteienengagement-Fehlanzeige!
    Wie sich doch die Geschichten gleichen, nur die Anlässe wechseln.
    Auch die Bücherbox am Stutti und das Lastenrad in der Leo wurde von der grünen Partei in Verlautbarungen, Anträgen und Wahlprogramm gern promotet. Nur irgendeine abrufbare Unterstützung blieb aus – selbst wenn sich das Parteibüro gleich nebenan befindet.

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