Wilhelmsaue: Die namenlose Einwohnerinitiative vom Mittelstreifen

Überall im Bezirk machen es die Umstände nötig, dass Bürger zusammenkommen, um für ihr Umfeld selbst etwas zu tun: den Abriß eines Hauses verhindern, die Verunstaltung eines Platzes rückgängig machen oder vernachlässigte Grünanlagen pflegen. So auch in der Wilhelmsaue.

Reinigungsaktion (Foto CP)

Es fing im Mai 2019 an, als zwei Anwohner Nachbarn aus Wilhelmsaue, Schoelerpark und allernächster Umgebung zu einem Treffen einluden. „Von Anfang an war klar“ erläutert Initiator Thomas Rosenberg, „daß wir die Straße schön finden und mit ihr zufrieden sind und keinerlei Umbau wünschen – daß es aber auch diverse Probleme gibt.“ Diese gibt es so oder ähnlich überall im Bezirk: der seit Jahren verkommende grüne Mittelstreifen; von Autos verstellte Übergänge für Fußgänger und umliegende Kitas auf ihrem Weg zum Spielplatz; Abkürzungsverkehr mit überhöhter Geschwindigkeit; Radfahrer auf Gehwegen; nächtlicher Lärm von Alkoholisierten auf dem Weg zum und im angrenzenden Volkspark.

Die meisten dieser Punkte sind nur vom Bezirksamt umsetzbar – aber die Stadträte antworteten nicht auf die Vorschläge der Anwohner. Eine Bezirksverordnete kam immerhin, machte sich Notizen und stellte einen Antrag – darüber sind jetzt eineinviertel Jahre ohne Antwort des Bezirksamtes vergangen. Eine zweiten Fraktion stellte einen weiterer Antrag im Sinne der Anwohner, dem zwar eine rasche Antwort, aber nie Taten folgten. „So blieb uns Anwohnern bei so wenig offiziellem Interesse erst einmal nur, sich um die Grünanlage auf dem Mittelstreifen zu kümmern“.

Eine Gerätekiste zur monatlichen Behebung mangelnden Umweltbewußtseins

„Dankenswerterweise stellte die Technische Leiterin des Grünflächenamtes uns eine Kiste mit den notwendigen Geräten an den Spielplatzzugang. So konnten wir im Juli 2019 mit monatlichen Säuberungsaktionen anfangen. Der feste Termin ist immer am ersten Sonnabend um 10 Uhr an der Materialkiste gegenüber der Kirche“.

„Jeder, der durch eine beliebige Grünanlage geht, sieht, wie notwendig es ist, sie zu reinigen (und manches auszubessern).“ Ganz besonders sind die Bänke dicht von Zigarettenstummeln umgeben. Jede einzelne kann an die 40 l Trinkwasser verseuchen durch die Abgabe von Arsen, Blei, Benzol, Teer. Das Bußgeld für weggeworfene Kippen beträgt zwar 120 € – aber hat schon jemand das Ordnungsamt tätig werden sehen? „Das Bewußtsein dafür, daß jeder durch sein eigenes Verhalten mitverantwortlich ist für den Zustand unserer Straßen und Grünanlagen, ist anderswo in der Welt deutlich ausgeprägter.“ Bedauerlich daher, daß wegen der Epidemie die mit der „Villa Comenius“ – dem Hort der Comenius-Grundschule im Blissestift – abgesprochene Reinigungsaktion gemeinsam mit Schülern bisher nicht verwirklicht werden konnte.

Immer nur hinterherräumen?

Man fing schnell an, sich breiter aufzustellen. „Bald schon traten neben diese Sisyphusarbeit andere Aktivitäten. Da war zuerst der Vortrag ‚Wilmersdorf – vom Sackgassendorf zum Großstadtbezirk‘, der erstmals im August 2019 im Eva-Kino stattfand.“ Wegen jedesmaliger Überfüllung des Saales erlebte er bis August 2020 sechs Wiederholungen, hat also an die 1.400 Besucher erreicht (ein achter Vortrag ist für dieses Frühjahr geplant). „Hinzu kamen in den letzten beiden Jahren zweistündige Führungen durch die Wilhelmsaue.“ Dabei wird diese über ein dreiviertel Jahrtausend alte Straße vorgestellt im Hinblick auf Geschichte, Architektur, Kultur und bürgerliches Engagement. Die nächste Führung wird im Frühjahr wieder auf nebenan.de angekündigt.

Wünsche, erfüllte und unerfüllte

Zurück zum Mittelstreifen. „Eine ganze Reihe anderer Anliegen haben wir ans Grünflächenamt herangetragen: den verdreckten Tümpel, beschmierte und beschädigte Bänke, großflächig zertrampelte Grasstücke, den seit Jahrzehnten nicht ausgebesserten Weg mit vielen Löchern und schadhafter Einfassung, fehlende Abfalleimer“ – eine lange Liste. Wenig ist davon bisher umgesetzt. Immerhin hat die Initiative durch ihre Aktivitäten dazu beigetragen, daß der Tümpel erhalten bleibt. „Außerdem wurde zwischen Mehlitz- und Blissestraße die Wegeinfassung aus Mosaiksteinen im Dezember 2019 durch Lehrlinge ausgebessert.“ Für dieses Jahr ist ins Auge gefaßt, die Grasflächen instand zu setzen. Und: „Das Grünflächenamt mähte im letzten Oktober die beiden Wiesenstücke gegenüber der Kirche, wies uns ein und stellte uns Blumenzwiebeln zur Verfügung.“ Aus ihnen sollen demnächst kurzstielige, verwildernde Tulpen sprießen. Um die Blumenpracht vielfältiger zu machen, kauften Initiativenmitglieder Zwiebeln von Narzissen, Krokussen und Allium hinzu. Mögen sie diese in der gärtnerisch vorgeschriebenen Tiefe – entsprechend dem Durchmesser der Blumenzwiebeln – vergraben haben, damit sie demnächst blühen!

Anmerkung:
Die Initiative ist erreichbar über die eMailadresse email hidden; JavaScript is required.

Bearbeitete Fassung eines Berichts, der zuerst im Heft Februar/März 2021 von KiezWilmersdorf erschienen ist.

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