Zwangsarbeiterlager Wilhelmsaue: Die erste Hürde ist genommen

In der Sitzung der Gedenktafelkommission am 26.11.2020 lagen die bereits bekannten drei Entwürfe vor. Die Behandlung der Vorschläge begann (und endete) mit dem weitestgehenden: dem der Historiker.

Text
Schwerpunkt der Diskussion war die Frage, wie die Herkunftsländer derjenigen Zwangsarbeiter, die aus der Tschechoslowakei und Jugoslawien stammten, bezeichnet werden sollten: ob mit dem selbstgewählten Namen, den diese Länder vor und dann wieder nach dem Zweiten Weltkrieg trugen, oder mit dem Namen der Staaten, die infolge des deutschen Eroberungskriegs entstanden waren. Man entschied sich gegen die erzwungenen Teilstaatsbezeichnungen.
Bei der Frage, ob das Lager als vom Bezirksamt „geleitet“ oder „betrieben“ zu nennen sei, einigte man sich auf ersteres – zweifelsfrei belegt durch mehrere Dokumente.
Ein abschließender Satz, daß mit dieser Tafel an das Unrecht erinnert werden solle, das den Zwangsarbeitern angetan wurde, damit es nie wieder geschehe, wurde als zu pädagogisch abgelehnt.
Die Abstimmung zugunsten des Historikervorschlags war einstimmig. Der Text der Gedenktafel wird somit lauten:

An diesem Ort befand sich im Zweiten Weltkrieg ein vom Bezirksamt Wilmersdorf geleitetes Zwangsarbeiterlager. Über 50 Menschen aus Polen, Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Frankreich und den Niederlanden waren hier untergebracht.
Die Bezirksverwaltung Wilmersdorf setzte sie bei der Trümmerbeseitigung und anderen kommunalen Aufgaben ein.
Zwangsarbeit war Teil der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft und im Berliner Alltag unübersehbar.

Gestaltung der Tafel
Die Aufteilung in Text und Abbildungen wurde als noch nicht befriedigend empfunden; der Text würde durch die Anordnung der Abbildungen zerrissen und drohe unterzugehen. Auch würden im Text nicht erwähnte Begriffe wie „Kinderheim“ und „Strafgefängnis“ in den Abbildungen erscheinen, die einer Erläuterung bedürften. Es ging daher an die Museumsleiterin der Auftrag, die dortige Grafikerin um mehrere Entwürfe zu bitten, wobei ein QR-Code als Zugang zu weiteren Informationen integriert werden soll.

Kosten
Nach Ansicht der Kommission besteht kein Zweifel daran, daß die in der Septembersitzung von BzStRin Frau Schmitt-Schmelz zugesagte Kostenübernahme durch das Bezirksamt* gelte.

Zeitpunkt der Enthüllung
Es wurde allgemein mit einem Termin erst im Frühjahr (Mai) 2021 für die Enthüllung der Gedenktafel gerechnet.

Anmerkungen
Somit hat die Gedenktafelkommission im November 2020 diejenigen Fakten anerkannt und zur Grundlage ihres Textes gemacht, die seit der Veröffentlichung eines Dokuments vor 70 Monate im Januar 2015 bekannt sind: die genaue Lage des Zwangsarbeiterlagers in der Wilhelmsaue 40 und die Zuständigkeit des Bezirksamtes Wilmersdorf. Eine erste Hürde ist genommen, weitere stehen noch bis zur Enthüllung bevor.

Der Beschluß vom März bzw. April (Drucksache 1438/5) enthält einen weiteren Auftrag: „Für Charlottenburg ist der Ort für eine Gedenktafel noch festzulegen.“ Ist der Dokumenten-Hinweis auf das bezirkliche Zwangsarbeiterlager in der Eosander-Schinkel-Grundschule, Nithackstraße 8-10 (damals Oranienstraße 13/15), der im Juni d.J. in der Fußnote des Beitrags „Wie war es eigentlich, Zwangsarbeiter des Bezirksamtes Wilmersdorf zu sein?“ enthalten war, derweilen weiterverfolgt worden? Beziehungsweise wann wird das dann geschehen?
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* Siehe Protokoll der 14. Sitzung vom 10.9.2020, zu TOP 7.

1 Kommentar zu „Zwangsarbeiterlager Wilhelmsaue: Die erste Hürde ist genommen“

  1. Nach über 6 Jahren Verhinderungsverfahren endgültig alles gut?
    Warten wir es ab, ob noch vor dem Wahltermin alles glücklich zu einem Ende kommt.
    Mitßtrauen bleibt bis zuletzt, da jahrelang die SPD Vertreterin – mit einem Hobbyhistoriker im Schlepptau – erst an der Existenz des Lagers zweifelte und dann nichts unversucht ließ, die Verantwortung des Bezirkes zu negieren.
    Nur dem Vertreter des Berliner Geschichtsvereins, nahmhafter Wissenschaftler aus dem Umfeld der Zwangsarbeiterforschung zu Berlin ist es zu verdanken, dass endlich eine annehmbare Lösung gefunden wurde.
    Dem unermüdlichem Einsatz von Dr. Roeder sei gedankt, nicht lockerzulassen. Gewürdigt wurde es bisher nicht, schamhaft versteckte die GT Kommission sich hinter fragwürdigen Expertisen.

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