Der Lunapark am Halensee und sein Ende im Nationalsozialismus (1910-1935)

Der am Berliner Halensee gelegene Lunapark galt vor dem Ersten. Weltkrieg als der größte Vergnügungspark Europas. Das Gelände am Ende des Kurfürstendamms hatte seit 1899 der Firma Aschinger gehört, die dort 1904 die „Terrassen am Halensee“ errichtete, ein riesiges, zum Ostufer des Sees sich öffnendes Restaurant mit verspielter, einem Märchenschloss ähnlicher Architektur. Zur guten Küche wurde auch schöne Musik geboten, außerdem konnten sich die Besucher in der prächtigen Gartenanlage mit Spielplätzen für Kinder tummeln oder auf dem See in Ruderbooten paddeln.

1910 baute eine Betreiberfirma das florierende Restaurant und die umgebenden Grünanlagen zum Lunapark aus. Das Stammkapital steuerte im Wesentlichen der Amerikaner L. A. Thompson bei, Erfinder und Pionier im Bau von Achterbahnen. Bald gehörte das Unternehmen mehreren internationalen Gesellschaftern, die den Firmensitz nach Belgien verlegten.

Der Lunapark brauchte den Vergleich mit seinem amerikanischen Vorbild auf Coney Island/New York, nicht zu scheuen: Er bestach durch eine Vielzahl von Attraktionen wie Wasserrutschbahn und Gebirgsszeneriebahn, die sog. Shimmytreppe, eine wackelnde Rolltreppe, Karussells und Geisterbahn, ein Lachhaus und vieles mehr. Außerdem dienten Völkerschauen wie das Somali-Dorf*, Tanz und Konzerte sowie Feuerwerk weiterer Unterhaltung. Bis 1914 erlebte der Park seine größte Blüte. Postkarten, zahllose Zeitungsartikel und Filmausschnitte bezeugen seinen einstigen Ruhm.
Während des Ersten Weltkrieges wurde das Unternehmen, auch wegen seiner nun als Feinde begriffenen Gesellschafter, aufgelöst. Die Gebäude nutzte man jetzt zu kriegsdienlichen Zwecken.

Dank neuer Betreiber konnte der Lunapark an Pfingsten 1920 wiedereröffnet werden. Im März 1922 verkaufte die Aschinger AG das Gelände, noch im selben Jahr ging es, samt angrenzenden Häusern am Kurfürstendamm und in der Bornimer Straße, in den Besitz der „Lunapark-Grundstücks AG“ über. Die bisher unabhängige Betreiberfirma ging als Tochterfirma vollständig in der Aktiengesellschaft auf.

Nach anfänglichen Problemen blühte der Vergnügungspark wieder auf, spätestens 1924 konnte er an alte Erfolge anknüpfen. Mit der Übernahme alter und der Einführung neuer Sensationen wie z. B. dem „Eisernen See“, einem Vorläufer der Autoscooter, oder dem Radio-Haus, gelang es, ein breites Publikum zu gewinnen. Hochpreisige Verlosungen, Schönheitswettbewerbe und Wettkämpfe, darunter ein Boxkampf mit dem damaligen Weltmeister Jack Dempsey gegen den noch unbekannten Max Schmeling, zogen Massen an.

Das legendäre, 1927 erbaute und seinerzeit einmalige Wellenbad, größte Schwimmhalle Europas, wurde zum Publikumsmagneten.

Anfang der 30-er Jahre hatte der Lunapark allerdings vermehrt mit Problemen zu kämpfen. 1932 brach zweimal ein Großfeuer aus: Im April wurde die Berg- und Talbahn vernichtet, im Juni das Hauptgebäude stark beschädigt. Noch schwerwiegender war, dass Vertreter der NSDAP mit der Bemerkung, dass der Besitzer Jude sei, versuchten, Besucher an der Kasse vom Eintritt abzuhalten, und das Unternehmen generell in Misskredit brachten.

Seit dem Verkauf des Geländes durch die Aschinger AG hatte Ilia Hepner, ein um 1920 vor dem russischen Bürgerkrieg aus Kiew geflohener jüdischer Kaufmann, sein Kapital in den Lunapark investiert. Spätestens 1924 war er alleiniger Aktionär und Generaldirektor dieses gewaltigen Firmenimperiums.

Er persönlich, aber auch die dargebotenen Vergnügungen waren den Nationalsozialisten, die den Park für ihre politische Propaganda nutzen wollten, ein Dorn im Auge. Nach dem Tod von Ilia Hepner im März 1933 setzten sie alles daran, den Lunaparkzu übernehmen. Zunächst bedrohten sie seinen Bruder Paul Hepner, den als Prokurist angestellten Geschäftsführer der Aktiengesellschaft; schließlich vertrieben sie ihn sowie alle jüdischen Mitarbeiter und Aufsichtsräte. Zwei weitere Brüder, die das Unternehmen retten wollten, wurden gleichfalls mit dem Leben bedroht, so dass sie noch im selben Monat außer Landes flüchteten. Bereits Ende 1933 erwarb eine von SA-Leuten durchsetzte Gesellschaft im Konkursverfahren den Hepnerschen Besitz, um ihn in einen parteinahen National-Park zu verwandeln, der von Albert Speer neu gestaltet werden sollte.
In dieser Zeit spielt der gleichnamige, später verfilmte Kriminalroman von Volker Kutscher (Lunapark, 2016), in dem der bereits geschlossene und heruntergekommene Park Verbrechern, die sich als SA-Männer tarnten, Unterschlupf bietet.
1935 machte die Stadt Berlin den hochtrabenden Plänen der Parteigenossen einen Strich durch die Rechnung. Sie kaufte der hoch verschuldeten National-Park Aktiengesellschaft das Gelände ab, um die Halenseestraße als Verbindungsweg zum Olympiagelände zu bauen, heute parallel zum Autobahnteilstück zwischen Kurfürsten- und Messedamm.

Die Erben von Ilia Hepner kämpften von 1950 bis 1972, als das Verfahren letztendlich eingestellt wurde, vergeblich um Restitution des verlorenen Besitzes. Das Gericht ging davon aus, dass der Lunapark zum Zeitpunkt der Veräußerung hoch verschuldet bzw. vollständig pleite gewesen wäre. Es folgte in seinem Urteil den Aussagen des Konkursverwalters, der nachweislich mit den Nazis kooperiert hatte, sowie der Einschätzung des Berliner Finanzsenators, der sich gefreut hatte, das Gelände 1935 sehr preiswert erwerben zu können.

Heute erinnert am 1938 neu gestalteten Halenseepark, jetzt Friedenthalpark, nichts mehr an den Glanz des einstigen Vergnügungsparks und sein unrühmliches Ende.

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* Ein beliebtes Vergnügen in der Kaiserzeit, siehe auch „1887, Die Aschanti-Neger in der ,Flora‘ zu Charlottenburg”.

Literatur:
– Der Lunapark im Jubiläumsjahr, Berlin 1929
– Johanna Niebalski, Die ganze Welt des Vergnügens. Berliner Vergnügungsparks der 1880er Jahre bis 1930er Jahre, Berlin 2018
– demnächst: Jutta Fischer, Familie Hepner und der Lunapark, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs, Berlin 2025

Filme mit historischen Ansichten und Filmausschnitten:
https://www.youtube.com/watch?v=KIZPr4bE9TA
https://www.youtube.com/watch?v=qkfQ-OIucu4

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