Die Birger-Forell-Grundschule

Es ist immer wieder beeindruckend, wieviele baulich hochwertige und ästhetisch anspruchsvolle staatliche Bauten vor dem Ersten Weltkrieg entstanden. Sicher spielte dabei eine Rolle, daß es ausgewiesene Architekten waren, von denen sie stammen. Zu diesen Bauten gehört auch die von Otto Herrnring und Philipp Nitze entworfene Birger-Forell-Grundschule.

Herrnring war Stadtbaurat von Wilmersdorf und schuf zwischen 1903 und 1916 elf Wilmerdorfer Schulen, allesamt unter Denkmalschutz (auch die Marie-Curie-Oberschule um die Ecke in der Weimarischen Straße gehört dazu). Er ist eines von vielen Beispielen, wie zu jener Zeit das fachliche Können den Ausschlag für das Amt von Stadträten gab und nicht die Parteizugehörigkeit. Sein Kollege Nitze wurde insbesondere für seine späteren Entwürfe von Bauten der Reichsbank, die meist ebenfalls unter Denkmalschutz stehen, bekannt.

Die rasante Entwicklung von Berlin und umliegenden Gemeinden seit Gründung des Deutschen Reichs – die Einwohnerzahl von Wilmerdorf stieg von 2.500 im Jahr 1895 auf über 100.000 im Jahr 1910 – erforderte den Bau einer Vielzahl von Schulen, um die Umsetzung der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang entstand 1911* die Birger-Forell-Grundschule als Doppelschule für Knaben und Mädchen, mit getrennten Eingängen, wie man an den Reliefs in den Giebeln der beiden Portale erkennen kann. Die so entstandenen Gemeindeschulen wurden von der jeweiligen Gemeinde getragen und waren nicht konfessionell gebunden.

Ursprünglich hieß die Schule IV. Gemeindeschule. Ihren heutigen Namen erhielt sie 1963 zur Erinnerung an den schwedischen Gesandtschaftspfarrer Birger Forell (1893-1958), der bis zu seiner Abberufung im Jahr 1942 politisch und rassisch Verfolgte aus dem Deutschen Reich herausschmuggelte, dabei unterstützt von zwei deutschen Polizisten. An alle drei erinnern Gedenktafeln an der Schwedischen Kirche in der Landhausstraße, an Birger Forell außerdem ein nahegelegener Platz mit einer Gedenktafel.

Die 20achsige Fassade ist viergeschossig. Sie ist mit roten Klinkern verblendet und in ihrer Gestaltung angelehnt an die niederländische Renaissance, für die typisch die horizontalen Bänder aus Werkstein im Sockelgeschoß sind. Die siebte und die vierzehnte Achse der Fassade sind betont durch die erwähnten Portale, zu denen sechs Stufen hinaufführen. Diese beiden Achsen werden zusätzlich hervorgehoben durch Erker im zweiten und dritten Obergeschoß.

Als Besonderheit trägt die Fassade zwei Spruchinschriften, hoch oben und in höchst kunstvoll verschnörkelten schmiedeeisernen Buchstaben: Wie sollten die Kinder das lesen? Und dann auch noch die Umsetzung, denn bei den Knaben heißt es: „Ohne Fleiss kein Preis“! Da hatten es die Mädchen leichter: „Erst prob‘s – dann lob‘s“. Der Knabenspruch geht übrigens zurück auf ein 2700 Jahre altes Lehrgedicht von Hesiod – neben Homer der Begründer der griechischen Literatur –, mit dem er seinen arbeitsscheuen Bruder zu gottgefälligem Tun bewegen wollte.



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* In manchen Veröffentlichungen ist von 1907 oder gar 1905 die Rede. Das hier genannte Jahr 1911 stützt sich auf die Angabe des Landesdenkmalamtes.

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