Die Wilmersdorfer Moschee

Die islamische Trägergemeinde der Wilmersdorfer Moschee, die Missionsgemeinde Lahore Ahmadiyya-Bewegung (aus Lahore in Pakistan), hatte sich zwar seit ihrer Gründung im Jahr 1898 der Friedfertigkeit verschrieben, aber das verhinderte nicht, daß im Endkampf des April 1945 in einem der Minarette ihrer Moschee ein deutsches MG-Nest eingerichtet wurde, was die Moschee zum Ziel von sowjetischem Beschuß machte und zu erheblichen Gebäudeschäden führte.

Erbaut worden war die Moschee kaum zwanzig Jahre zuvor, zwischen 1924 und 1927. Die 26 Meter hohe Kuppel hatte einen Volltreffer erhalten und wurde 1948 notdürftig repariert, um das Gebäude wieder für den Gottesdienst nutzbar zu machen. Die umfassende Sanierung begann erst, nachdem diese älteste in Deutschland erhaltene Moschee 1993 unter Denkmalschutz gestellt worden war. Mithilfe verschiedener Geldgeber wurden zwischen 1996 und 2022 schrittweise das Hauptgebäude mit seinen ursprünglichen Verzierungen und in der originalen Farbgebung wiederhergestellt, ebenso die beiden 36 Meter hohen Minarette und das Imamgebäude. Dort residiert seit 2016 Amir Aziz. Hier erzählt er, wie er Imam dieser Moschee wurde:

Imam Amir Aziz
„Ursprünglich hatte ich in Pakistan und Kairo studiert, meinen Master in englischer Sprache und Literatur gemacht und dann an einer renommierten Schule in Pakistan Islamwissenschaft und Englisch für zukünftige Cambridge-Studenten unterrichtet. Als die Imamstelle hier neu besetzt werden mußte, schlug meine Gemeinde mich wegen meiner englischen und arabischen Sprachkenntnisse dafür vor. Deutsch habe ich dann zuerst am Goethe-Institut in Pakistan gelernt und später hier an der Volkshochschule. Verschiedene Sprachen zu sprechen ist für meine Tätigkeit wichtig, da Gläubige aus allen Teilen der moslemischen Welt hierher zum Gebet kommen. Meine Imamausbildung dauerte sieben Jahre und fand in Pakistan und Ägypten statt. Zur Ausbildung gehörte natürlich das Studium des Korans und des Hadith; das sind die überlieferten Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed. Wichtige weitere Fächer waren islamische Rechtswissenschaft (Fiqh) und Persisch, denn viel islamische Literatur ist in dieser Sprache geschrieben. Und natürlich Arabisch, das ist die Sprache des Korans und der Gebete. Meine Hauptaufgabe als Iman ist, als Vorbeter den Gottesdienst zu leiten und am Freitag die Predigt zu halten. Außerdem verwalte ich die Moschee und vertrete unsere Gemeinde gegenüber den anderen Kirchen, den Parteien und der Presse. Oder ich werde eingeladen, vor jungen Menschen zu sprechen, von der Kita bis zu Studenten. Schließlich bin ich auch zuständig für Heiraten und Beerdigungen oder wenn jemand zum Islam konvertieren will.“

Wie wird man Moslem?
„Im Islam gibt es keine Taufe. Bei einem Neugeborenen genügt es, in sein Ohr den Gebetsaufruf des Muezzin zu sprechen: ‚Gott (Allah) ist groß. Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott. Ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist. Kommt zum Gebet. Kommt zum Heil. Gott ist groß. Es gibt keine Gottheit außer Gott.‘ Ein Erwachsener wird Moslem, wenn er bewußt und aus Überzeugung das Glaubensbekenntnis des Islam spricht: ‚Es gibt keine Gottheit außer Gott (Allah) und Mohammed ist sein Gesandter‘. Das ist alles, was eine Person tun muß.“

Judentum – Christentum – Islam
Die Grundlage des Islam ist seine heilige Schrift, der Koran. Moslems sehen in ihm eine Fortsetzung sowohl der jüdischen Bibel, bestehend aus den fünf Büchern Mose (der Thora) und den weiteren Büchern des Alten Testaments, als auch der christlichen Bibel aus Altem und Neuem Testament. Für Moslems ist der Koran deren Abschluß, das letzte Buch Gottes. Und sein letzter Prophet ist Mohammed. Unter seinen Vorgängern sind laut Koran Moses, Abraham und Jesus. „Der Islam kennt nur einen Gott. Jesus ist Gottes Sohn, aber nur im spirituellen Sinn. Der Heilige Geist der christlichen Dreifaltigkeit ist im Koran ein Engel.“ Amir Aziz weist auf einen weiteren Zusammenhang zwischen diesen drei Religionen hin: nämlich wie Gott genannt wird. „‚Allah‘ ist aus ‚El‘ abgeleitet. Beide Wörter bedeuten ‚Gott‘. Christen kennen die Bezeichnung ‚El‘ aus den Sieben letzten Worten Christi: Eli, Eli, lama asabtani? – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Die Lahore Ahmadiyya-Bewegung und ihre Moschee
In einem islamischen Land wäre Amir Aziz von der Nachbarschaftsgemeinde zum Imam gewählt worden. In gleicher Weise hätte die Gemeinde auch einen Muezzin bestimmt, dessen Aufgabe es ist, vom Minarett aus die Gläubigen zu den fünf täglichen Gebeten in die Moschee ruft. Dies ist bei der Wilmersdorfer Moschee anders. Ihr Träger ist nicht die Nachbarschaft, sondern die Lahore Ahmadiyya-Bewegung, eine Reform- und Missionsbewegung. Sie entstand 1898 in Lahore im damaligen Britisch-Indien und hatte das Ziel, in der mehrheitlich hinduistischen Kolonie den Islam zu verbreiten. Darüber hinaus wurde sie auch im Ausland tätig, darunter in Deutschland. 1922 gab sie dem Architekten Karl Alfred Hermann (1882-1953) den Auftrag, diese Moschee zu entwerfen. Er orientierte sich am indisch-islamischen Stil der Mogul-Architektur, die hierzulande insbesondere durch das Taj Mahal bekannt ist. Ihre typischen Merkmale findet man auch bei der Wilmersdorfer Moschee: die offene Eingangshalle mit überdimensioniertem, spitz zulaufendem Portalbogen und rechteckiger Einrahmung (Iwan) , die bauchige Kuppel, Minarette, die eher als Schmuck dienen, und insgesamt die völlig symmetrische Anlage der Fassade. Ermöglicht wurde dieser Bau durch Spendengelder, die die Frauenorganisation der Lahore Ahmadiyya-Bewegung daheim sammelte. Die so entstandene Moschee war von Anfang an, entsprechend dem Reformkonzept der Bewegung, ein Ort der interreligiösen Begegnung. „Unsere Moschee steht allen religiösen Richtungen offen. Deren Mitglieder sind uns ebenso willkommen wie unsere eigenen Mitglieder.“ Sie war in der Zwischenkriegszeit auch ein Ort der Beschäftigung mit islamischer Philosophie und moslemischer Kultur. Zu den Besuchern der Vorträge gehörten Albert Einstein, Thomas Mann und Hermann Hesse.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war diese Moschee der religiöse Mittelpunkt der in Groß-Berlin lebenden Moslems. Das hat sich mit dem Zuzug der großen Anzahl von Türken – und ebenso Araber – geändert,da diese ihre eigenen Moscheen gründeten und dort beamtete türkische Imame auf türkisch predigen. „Die Gebete aber werden auch dort immer auf arabisch gesprochen. In unsere Moschee kommen deutsche Konvertiten und Moslems aus den anderen Ländern und Regionen der Welt, aus Afrika, Bangla Desh, Indonesien, Rußland, Syrien oder vom Balkan. Zum Freitagsgebet mittags versammeln sich hier wöchentlich um die 250 Gläubige.“ Manchmal sind es mehr, als die Moschee fassen kann, und die beten dann vor dem Eingang. Die gemeinsame Verrichtung dieses Gebetes ist vorgeschrieben. Die meisten Anwesenden sind Männer, aber auch Frauen nehmen daran teil in einem abgesonderten Bereich.

Im Innern
Äußerlich gesehen, ist die Moschee, wie jedes andere Gebäude, entlang der Straße erbaut. In ihrem Inneren jedoch ist bestimmend die Richtung, in der die Kaaba in Mekka liegt, und das ist im 45°-Winkel hin zur Einmündung der Brienner in die Berliner Straße. Diese Richtung ist gekennzeichnet durch die Kibla-Wand. In ihrer Mitte liegt die Gebetsnische (Mihrab), vor der Amir Aziz als Vorbeter steht, die Gebete auf arabisch spricht, sich verneigt und niederwirft. Hinter ihm, parallel zur Kibla-Wand, stehen die Gläubigen in mehreren Reihen und folgen ihm darin. Der Teppich, mit dem die Moschee ausgelegt ist und der nur ohne Schuhe betreten werden darf, gibt ihnen mit parallel verlaufenden Linien Orientierung für ihre Aufstellung, denn es gibt kein Gestühl. Liturgisch von Bedeutung ist ebenfalls die Kanzel für die Freitagspredigt (Minbar), die in diesem kleineren Raum durch ein leicht erhöhtes Rednerpult rechts neben der Gebetsnische vertreten wird. „Dort predige ich auf deutsch, englisch und arabisch.“

Ein Beuch der Moschee lohnt sich, z.B. am Tag des offenen Denkmals am 7. und 8. September oder am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober.

Siehe auch: russisch-orthodoxe Christi-Auferstehungs-Kathedrale, evangelische Auenkirche

1 Kommentar zu „Die Wilmersdorfer Moschee“

  1. Ein lehrreicher Artikel
    War auch bereits vor langer Zeit in der Moschee zu Besuch
    Doch erinnere ich mich bedauerlicherweise nicht mehr an die damaligen Kenntnisse

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