Von der Bezirksbibliothek zur „Smart Library“

Was schätzen Menschen an Bibliotheken? Umfragen der letzten Jahre zeigen immer wieder klar und deutlich:

„Das Kerngeschäft der Öffentlichen Bibliotheken Berlins ist nach wie vor Medien für ein breites Publikum bereit zu stellen“, wie es in der Eigenumfrage der Berliner Öffentlichen Bibliotheken aus dem Jahr 2014 heißt; konkret: 88 % kommen, um Medien auszuleihen. Oder laut einer Umfrage des Institut für Demoskopie Allensbach (2015): 76 Prozent der Befragten möchten vor allem ein umfangreiches Angebot an Büchern, E-Books, Zeitschriften, Musik und Filmen. Und selbst von Kindern erfährt man: Sie mögen am liebsten gedruckte Bücher (Kinder-Medien-Studie 2018).

Demgegenüber gibt es Leute, die sich „Bibliotheksmacher“ nennen und seit Jahren bemüht sind, unsere Bibliotheken gänzlich umzukrempeln, weil sie ihnen nicht modern genug sind – und das allen Umfragen unter den Nutzern zum Trotz. Anfänge kann man auch in der Bibliothek am U-Bahnhof Blissestraße, der Wilmersdorfer Hauptbibliothek, seit Jahren beobachten: Ein erheblicher Teil der Medien, insbesondere Bücher, wurden einfach weggeschmissen, weil sie nach Meinung der Verwaltung zu wenig ausgeliehen wurden; Neuanschaffungen sind überwiegend Ratgeber und Unterhaltungliteratur, denn man wolle den „Grundbedarf“ decken; andererseits wurde für 10.000 € eine „Gaming Zone“ eingerichtet; und die Kosten für die beiden „Informationsmonitore“, die kaum beachtet werden, mag die Stadträtin nicht nennen.

Ein Bericht des Deutschlandfunks von 2015 zeigt am Beispiel einer kleineren dänischen Stadt, wie die moderne Bücherei aussehen soll: „Ganz vereinzelt finden sich auch ein paar Regale mit Büchern, Zeitschriften, CDs oder DVDs zum Ausleihen. Der Bibliothekschef: ‚Ja es ist eine moderne Bücherei – es ist die Zukunft der Bücherei!‘“ Diese Zukunft besteht unter anderen darin, die Bücherei zum öffentlichen Wohnzimmer zu machen, auch „Dritter Ort“ – neben Zuhause und Arbeit — genannt.

Es stimmt, es gibt zu wenig Orte, an denen man sich ohne Konsumzwang treffen kann, was gerade für Städte wie Berlin, wo bereits über die Hälfte aller Haushalte Einpersonenhaushalte sind, ein Problem ist. Aber erstens. Warum will man deshalb seitens von Politik und Verwaltung die beliebte Institution Bibliothek in ihrem Kern zerstören? Und zweitens: Wieso verweigern andererseits dieselben Parteien und Verwaltung zum Beispiel der BI Schoelerschlößchen, die seit über drei Jahren darum kämpft, in der Wilhelmsaue ein selbstverwaltetetes soziokulturelles Zentrum einrichten zu können, jegliche Unterstützung, wo es doch in der Umgebung an solche einem Treff fehlt?

Wenn man der ganzen Angelegenheit weiter nachgeht, stößt man alsbald auf Begriffe wie „Smart Library“ und „Smart City“ und auf eine Veranstaltung namens „Next Library“, die Mitte September in eigens errichteten Bauten vor der Amerika Gedenkbibliothek stattfinden und die gänzliche Umgestaltung unserer Bibliotheken propagieren soll. Mehr Informationen dazu finden sich hier: Smart City – Smart Library – Next Library®.

Eine Umfrage des Schweizerischen Instituts für Informationswissenschaft vom August 2017 bringt es auf den Punkt: „Nicht die Bibliothek ist unmodern und hält an überkommenden Aufgaben fest und ‚verliert‘ deshalb Nutzerinnen und Nutzer, sondern die ‚neuen Aufgaben‘, die sich die Bibliothek zuschreibt, sind gar nicht die, die Menschen besonders an Bibliotheken schätzen.“

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