Bettina Raetzer-Grimm ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins ProGaslicht, der sich seit 2009 „für den Erhalt des Gaslichts als sichtbare Industriekultur‟ einsetzt.
Vor 20 Jahren besaß Berlin einen einzigartigen Schatz: das weltweit größte zusammenhängende Gaslicht-Netz mit insgesamt 44.000 Gaslaternen. Das waren damals mehr als 60 Prozent des Welt-Gasleuchten-Bestandes. Doch anstatt diesen Schatz zu hüten, beschlossen Senat, Verwaltung und politische Parteien den nahezu kompletten Abbau der Gaslaternen. Vorausgegangen war ein Trommelfeuer von Stromanbietern und Elektrobranchen-Lobbyisten gegen die angeblich nicht mehr zeitgemäße Gasbeleuchtung. Eingaben aus den Reihen von Bürgern, Initiativen, Vereinen, der Kulturszene mit vielen prominenten Künstlern und wenigen, dem historischen Licht wohlgesonnenen Medienvertretern blieben ungehört. Der Senat von Berlin war lediglich nach einigem Hin und Her bereit, eine vergleichsweise kleine Anzahl von Gaslaternen – 3.300 von 44.000 – aus Gründen des Denkmalschutzes zu erhalten. Die Herangehensweise und die Auswahl ist uns nicht genau bekannt, doch man legte zusammen mit dem Landesdenkmalamt 29 Bereiche als sogenannte „Gaslaternen-Erhaltungsgebiete“ fest. Es handelt sich dabei um städtebaulich relevante Flächendenkmale mit bauhistorischer Bedeutung, verteilt auf neun Berliner Bezirke. Unter Schutz stehen dabei alle noch in diesen Gebieten Berlins vorkommenden Gasleuchten-Modelle. Ausgenommen ist lediglich der Bezirk Neukölln, dort sind keine Gasleuchten unter Schutz gestellt worden.

»Hier« für starke Vergrößerung;
dann mit Strg+ vergrößern oder mit Strg- verkleinern.
Zu den Kiezen mit erhaltenswürdiger Gasbeleuchtung zählen unter anderem Altstadtbereiche von Spandau, Welterbe-Siedlungen der Moderne oder auch Teile des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier soll das Gaslicht bleiben dürfen. Zumindest nach aktuellem Stand. Das größte „Gaslaternen-Erhaltungsgebiet“ befindet sich in Charlottenburg. Es umfasst unter anderem das Viertel um den Klausenerplatz (der Platz selbst hat kein Gaslicht mehr – siehe 1 auf der Karte), des weiteren Alt-Lietzow (2), das als dörfliche Keimzelle von Charlottenburg angesehen wird, und die Gegend rund um den Lietzensee (3). Die drei Gebiete hängen nicht direkt miteinander zusammen, befinden sich aber in unmittelbarer Nachbarschaft, sind jedoch durch Hauptverkehrsstraßen getrennt.



GASLATERNEN IN CHARLOTTENBURG
Zusammengenommen befinden sich in den drei genannten Bereichen 820 Gasleuchten. Aufgeschlüsselt nach Modellen sind das 407 Gasaufsatzleuchten, 209 Gasmodelleuchten („Schinkellaternen“), 112 Gashängeleuchten, 90 Gasreihenleuchten und zwei „Sonderleuchten“. Hinter dem letztgenannten Begriff verbergen sich mehrarmige Gaskandelaber.
Bei den vierflammigen Aufsatzleuchten handelt es sich um das ehemalige Modell „BAMAG U7“ als Nachbau. Meist sind sie auf Bündelpfeilermasten aus Guss montiert, aber auch auf Stahlmasten. Die vierflammigen Modellleuchten (Entwurf von 1892), sämtlich Nachbauten, sind grundsätzlich auf Bündelpfeilern angebracht. Die Gasreihenleuchten, (BAMAG U13H), vier- und sechsflammig, alles Originale aus den 1950er Jahren, befinden sich an Bogenauslegermasten in unterschiedlichen Varianten.

Die Gashängeleuchten (BAMAG-Nachbauten) in der Schloßstraße (meist neunflammig, manche vierflammig) sind an ehemaligen Pressgas-Masten („Großer Galgen“), ein Modell aus dem Jahr 1906, montiert, hergestellt von der Firma Lauchhammer. Entworfen wurde der gotisierende Mast von den Werkstätten der Städtischen Berliner Gaswerke (GASAG). Sie machen die Schloßstraße zu einem wunderbaren Gaslicht-Boulevard. In der Sophie-Charlotten-Straße stehen ebenfalls 39 „Große Galgen“; hierbei handelt es sich aber um Nachbauten der Firma GICS in Hamm.

In Alt-Lietzow steht auf einer sehr kleinen Mittelinsel ein dreiarmiger Bogenkandelaber. Ein Stahlmast mit Stahlsockel und drei bogenförmigen Auslegern, der Entwurf von 1926 war von Professor Rudolf Wille, einem Ingenieur und Kunstgewerbler, damals GASAG-Mitarbeiter. Daran sind vierflammige Gashängeleuchten (Nachbauten eines BAMAG-Modells) angebracht. Es ist der letzte Originalmast dieses Typs im Berliner Straßenraum, ein weiteres Exemplar war im Gaslaternen-Freilichtmuseum aufgestellt worden.

Bei den sogenannten Sonderleuchten handelt es sich um zwei fünfarmige gusseiserne Gaskandelaber. Auf der Schloßstraße, an der Kreuzung mit Zille-/Knobelsdoffstraße befindet sich das letzte Original, entworfen im Jahr 1903 von einem Herrn Nolkenborn, der wohl Mitarbeiter der “Actiengesellschaft für Gas und Electricität“ in Köln-Ehrenfeld war. Der Gaskandelaber besteht aus vielen Einzelgussteilen und ist aufwendig verziert. Er trägt fünf Gasmodellleuchten (Entwurf der GASAG von 1892). Der andere Gaskandelaber steht auf dem Stuttgarter Platz.

Auf dem Klausenerplatz steht ebenfalls ein ursprünglicher Gaskandelaber, der aber schon seit Jahren mit drei elektrischen Leuchten ausgestattet ist. Derartige dreiarmige Varianten dieses Kandelabers wurden ebenfalls in Berlin aufgestellt, einer davon gehört zum Gaslaternen-Freilichtmuseum. Die mehrarmigen Kandelaber direkt vor dem Charlottenburger Schloss sind Nachbauten und mit elektrischen (LED-) Leuchten ausgerüstet.
STRAßEN IM GASLICHT
Die Gaslaternen in den genannten Quartieren sind bei Dunkelheit eine echte Augenweide. Hier kann man nach wie vor erleben, wie es ist, wenn man an einer Kreuzung in verschiedene Richtungen schaut – und überall funkelt das Gaslicht. Ein Fluidum der ganz besonderen Art. Man sollte bei aller Euphorie aber nicht vergessen, dass jedoch vor 20 Jahren noch viele Tausend Gaslaternen allein in Charlottenburg in Betrieb waren. Die meisten Seitenstraßen des Kurfürstendamms waren so beleuchtet. Heute findet man dort fast ausnahmslos Gaslaternen-Attrappen mit LED. Die drei Gaslicht-Schutzzonen in Charlottenburg sind also nur Überbleibsel eines viel größeren gasbeleuchteten Stadtgebietes.
Unvergessen die Zeit, als man – ich eingeschlossen – nachts durch die Kneipen von Charlottenburg (oder anderen Stadtteilen) – damals noch in der geteilten Stadt – zog und so richtig durchmachte. Eine Sperrstunde gab es damals in West-Berlin nicht. Auf dem Nachhauseweg leuchteten einem dann die Gaslaternen den Weg – und ins Bett. Ich werde diese Zeiten immer gut in Erinnerung behalten.
Bearbeiteter Auszug aus der 119. Ausgabe der Vereinszeitschrift „Der Zündfunke‟ vom März/April 2025, S. 7ff.; Fotoquellen siehe dort.
Das Absurde ist, dass Gäbler gleichzeitig bei der zuständigen Abbaufirma Lobbyist war
Übrigens kam/ kommt der Strom der umgerüsteten Elektro Lampen aus der Verbrennung der Lausitzer Braunkohle
Der Beitrag weckt in mir die Erinnerungen an die Kindheit Ende der 30er Jahre in der Kamminer Straße in Charlottenburg. Die gußeisernen Masten der Laternen, (sie sind wohl in ihrer Form Papyruspflanzen), waren mit ihren Abstufungen die beliebten Klettergeräte für uns Kinder. Das Laternen-Klettern war täglich angesagt. Am Abend kam dann noch der Mann mit der Stange auf dem Fahrrad, um die nicht gezündeten Laternen mit einem Haken an der Stange am Zünder im Lampenkörper zu entzünden. Ein Bild, das sich bis Heute immer mit den Laternen verbindet, wenn ich sie noch im Stadtbild entdecke.