Eva und Cosima – zwei Stadtteilkinos, getrennt durch die Bezirksgrenze zwischen Wilmersdorf und Friedenau, vereint durch Karlheinz Opitz, der – zusätzlich zu den Eva-Lichtspielen – 2022 das Cosima-Filmtheater übernommen, saniert und im Juli diesen Jahres wieder eröffnet hat. Im folgenden werden er und seine beiden Kinos vorgestellt, und ein Kinofan aus der unmittelbaren Nachkriegszeit wird auch zu Wort kommen.
Der Betreiber
Karlheinz Opitz’ Weg hin zum Betreiber von zwei Kinos fing damit an, daß er als Kind sehr gern ins Kino ging und es „magisch“ fand. Aber da hätte auch schon Schluß sein können, denn eigentlich kam er nach Westberlin zum Studium der Umwelt- und Verfahrenstechnik. Um etwas Geld nebenher dazuzuverdienen, waren eine Aushilfstätigkeit in einer Eisdiele oder in einem Kino am vielversprechendsten. „Ich habe alle Kinos abgeklappert und hatte Glück, daß ich im Mai 1988 im Gloria-Palast am Zoo Kartenabreißer, offiziell ‚Platzanweiser‘, wurde. Sonst wäre ich jetzt vielleicht ein erfahrener Eisverkäufer. Mit diesem ersten Job bin ich dann ins Kino reingewachsen.“ Schritt für Schritt ging es weiter: zusätzlich Verkauf von Süßwaren, Vorführer gelernt (wofür man damals bei den echten Filmen einige technische und physikalische Kenntnisse brauchte), den Chef vertreten und dadurch Einblick in Orderung von Filmen, Abrechnung usw. gewonnen, Assistent eines Vorführers, Stellvertreter eines Theaterleiters – das alles in verschiedenen Kinos: nach dem Gloria-Palast im damals neuen Filmpalast (jetzt Astor Film Lounge), im Adria und im Eiszeit-Kino. Zwischendurch betrieb Karlheinz Opitz ein halbes Jahr lang ein mobiles Kino, das mit seiner gesamten Ausrüstung von Räumlichkeit zu Räumlichkeit zog, wie einst Filmvorführer auf dem Land von Dorf zu Dorf. „Dazu gab es für die Besucher eine Suppe, wie nach dem Krieg. Aber es war eine Knochenarbeit.“ Diese Erfahrung und noch einige weitere Jahre als Angestellter erweckten in ihm schließlich den Wunsch nach einem eigenen Kino. Nachdem Klick und Sputnik nicht infrage gekommen waren wegen zu umfangreichen Sanierungsbedarfs, gaben ihm Kollegen den Tip, es mit dem Eva zu versuchen, dessen Betreiber aufhören wollte.
Erst Eva, dann Cosima
So ist Karlheinz Opitz schließlich 2006 zu den Eva-Lichtspielen gekommen. Diesen Namen trägt das Kino seit Anfang der 1920er Jahre, als der damalige Betreiber es nach seiner Frau umbenannte. Dies Kino war eines der ersten in Wilmersdorf, als 1913 das Wohnhaus in der Blissestraße samt dem Kinosaal erbaut wurde. Damals waren Filmvorführungen von Jahrmarktsattraktionen zum festen Bestandteil der Alltagsunterhaltung geworden, was zu einem regelrechten Kinogründungsfieber führte.
Heute gehört das Eva – zusammen mit dem Bundesplatz-Kino aus demselben Jahr – zu den ältesten noch bespielten in ganz Berlin. 2022 übernahm Karlheinz Opitz das Cosima-Filmtheater in Friedenau als zweites Kino. Das Wohnhaus, in dessen Erdgeschoß es liegt, wurde sogar schon 1905/6 errichtet, aber damals noch ohne Vorführsaal. Stattdessen befanden sich ursprünglich längs der Brünnhildestraße mehrere Geschäftslokale, die 1934 zu einem langgestreckten, schmalen Kinoraum umgebaut wurden. 1935 erfolgte die Eröffnung. Der Kinoname leitet sich vom nahegelegenen Cosimaplatz ab. Im Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude unbeschädigt, so daß gleich nach Kriegsende dort wieder Filmvorführungen stattfinden konnten.
Ein Zeitzeuge erzählt
Einer der damaligen Kinogänger war Helmut Meyer, 1946 zwölf Jahre alt: „Wir Jungen waren in den Jahren 1946 bis 1948 auf die neuen Filme fixiert. Die Kriegs- und Operettenfilme der UFA waren bis 1945 für uns das Kino. Jetzt kamen völlig neue Stoffe und Inhalte mit den englischen und amerikanischen Filmen zur Aufführung.
Die Kinobegeisterung in unserer Clique wurde angefeuert durch Krimis und Western. Während die meisten Kinos Revuefilme wie ‚Die Ziegfeld-Follies‘ oder ‚Badende Venus‘ im Programm bevorzugten, hatte sich der Betreiber des Cosima auf diese Filme orientiert. Die Entscheidung zum Besuch der Filme haben wir zu dritt oder viert an der Litfaßsäule getroffen, wo die Plakate mit den Wochenprogrammen der einzelnen Kinos klebten. Meist reichte der Filmtitel für unsere Entscheidung, am Sonntag mit der S-Bahn von Charlottenburg nach Friedenau zur 16-Uhr-Vorstellung zu fahren. Dort sahen wir dann ‚Achtung: Grün‘ über einen Mord in einem englischen Krankenhaus während des Krieges, ‚Die Spur des Falken‘ mit Humphrey Bogart, ‚Goldrausch‘ mit Charlie Chaplin und Marlene Dietrich in der Western-Parodie ‚Der große Bluff‘. Wir zahlten 2 oder 2,50 Mark für dieses Erlebnis.
Noch ein übriges zum Filmerlebnis: Im Vorprogramm lief die in den USA produzierte Wochenschau ‚Die Welt im Film‘ – ein völlig neues Format gegenüber den gewohnten Ausgaben der ‚Deutschen Wochenschau‘ mit Kriegsberichten und markigen Begleittexten. ‚Die Welt im Film‘ war aufgemacht mit Berichten über Sensationen und Ereignisse aus aller Welt und brachte kaum politische Inhalte – es war alles neu für uns.“
Eine kleine Kinokette
Bei Übernahme des Cosima war eine Sanierung von Grund auf notwendig. Das bedeutete in der Praxis: kompletter Austausch der Elektrik in allen Räumen, erstmaliger Einbau von Lüftung und Sicherheitsbeleuchtung, Bodenunebenheiten ausgleichen, Wandbespannung, Anstrich und Bestuhlung erneuern und zu guter Letzt dem Foyer ein frisches Aussehen geben. Möglich wurde dies durch umfangreiche Zuschüsse des Bundes.
Die Übernahme des Cosima hat Vorteile bei der Filmbeschaffung: Zwischen Karlheinz Opitz und den Betreibern des Bundesplatz-Kinos gibt es schon lange gute Kontakte und Absprachen, so gelten Stempelkarte und Gutscheine für alle drei Kinos. „Gemeinsam sind wir wie eine kleine Kinokette und bekommen dadurch ‚größere‘ Filme, also solche, für die der Verleih mehr Werbung macht und die daher finanziell erfolgversprechender sind. Die führen wir dann in allen drei Sälen auf, aber zu verschiedenen Zeiten.“ Dabei denkt Karlheinz Opitz nicht an Mainstream-Filme, sondern an Arthouse-Filme und meint damit Filme mit künstlerischem Anspruch, mit Originaldrehbuch, nicht von der Stange.
Neben dem täglichen Programm bietet das Eva in der Sonntagsmatinee meist eine Dokumentation, mittwochs am Nachmittag schon seit ca. 30 Jahren die Reihe „Der alte deutsche Film“ und auf Anfrage Vorführungen für Kindergärten und Schulen. Das Cosima zeigt einmal im Monat einen Berlin-Film, geplant sind mehr Filme in der Originalfassung.
Zum Sinn von Stadtteilkinos
„Ein Kino zu betreiben ist eine schöne Aufgabe, besonders, wenn man davon leben kann. Und es ist eine sinnvolle Tätigkeit, weil sie das Leben im Stadtviertel kulturell bereichert. Man hat es beispielsweise gesehen: als die Kurbel in der Giesebrechtstraße zum Supermarkt wurde, verödete die Straße nachts, dort ist tote Hose. Ich komme mir nützlich vor und spüre das jeden Tag, wenn ich nach einer Vorführung persönlich angesprochen werde und die Leute sich freuen und bedanken.“