Gedanken einer Krankenschwester über ihren Beruf

Schwester Steffi erzählt hier über ihre Arbeit auf ihrer Station, wie sie diese Arbeit erlebt und was sie motiviert trotz der zunehmenden Arbeitsbelastung im Laufe der Jahre.

„Krankenschwester war überhaupt nie mein Berufswunsch, es war eine Notlösung. Aber wenn ich jetzt auf meine über 30jährige Berufstätigkeit seit 1991 zurückblicke, da muß ich sagen: Es war das Beste, was mir passieren konnte, auch wenn im Laufe dieser Zeit die Arbeitsbelastung immer mehr zugenommen hat.

Heutzutage hört und liest man darüber viel. Und es stimmt ja auch: Seitdem ich meine Ausbildung beendet habe, ist die Arbeit einfach stressiger geworden. Alles muß immer schneller gehen. Bis vor 20 Jahren waren wir für 30 Patienten auf einer Normalstation in der Frühschicht noch sechs bis sieben Krankenschwestern oder Pfleger, in der Spätschicht vier oder fünf und im Nachtdienst eine, aber heute sind wir nur noch halb so viele. Immerhin wurde uns ein Teil der Arbeit abgenommen. Zum Beispiel wenn Patienten sich nicht mehr selbst waschen oder allein essen können, wenn ihr Wäsche gewechselt werden muß u.v.m., kümmern sich Pflegehelfer darum. Zusätzlich gibt es noch Servicekräfte für die Essensverteilung, die Reinigung der Bettplätze bei Entlassung usw. Fallen sie allerdings aus und kommt keine Vertretung, müssen wir oder die Pflegehelfer wieder diese Arbeiten übernehmen.

Vielfältige Arbeit
Überhaupt meine Arbeit, sie ist sehr vielfältig. Ich bin nicht nur Krankenschwester und manchmal Reinigungskraft, sondern auch Psychologin, Kummerkasten und Vermittlerin, alles in einem. Ich muß mich jeden Tag auf neue Gegebenheiten einstellen. Auf Patienten, die bescheiden sindund sich nicht trauen, Hilfe einzufordern. Patienten, die arrogant und überheblich sind, die spazierengehen und anschließend dennoch klingeln und möchten, daß man ihnen eine Wasserflasche bringt oder das Fenster für sie schließt. Bitte und Danke gibt es in ihrem Wortschatz nicht, lediglich wenn sie mit den Ärzten reden. Patienten, die traurig in sich gekehrt sind, die ihren Lebensmut verloren haben. Junkies und Obdachlose, die häufig sehr verwahrlost sind, die zuvorkommend, freundlich, höflich, bescheiden sein können, aber genauso aggressiv, beleidigend, fordernd. Aber ob obdachlos oder Millionär, was sie im Krankenhaus gemeinsam haben, ist, daß sie krank sind, und alle behandeln wir gleich mit Respekt und Menschenwürde.

Arbeitsklima
Eine große Hilfe bei der Arbeit ist, daß unter uns Kollegen ganz überwiegend ein freundlicher Ton herrscht und man respektvoll miteinander umgeht, auch wenn die Umstände schwieriger geworden sind als vor 20 Jahren, wie ich schon erwähnt habe. Da geht die Arbeit einfach besser von der Hand. Ebenso ist es hilfreich, daß bei uns auf der Abteilung zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal ein gutes Vertrauensverhältnis besteht. Zum Beispiel wenn ein Patient Schmerzen hat oder Verstopfung, da müßte ich eigentlich erst einmal zum diensthabenden Arzt gehen, ihn informieren und seine Anweisungen abwarten. So aber ergreife ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung selbst die notwendigen Maßnahmen und informiere den Arzt im nachherein. Das spart eine Menge Zeit. Und außerdem kann man auch voneinander lernen, zum Beispiel ein junger Arzt von einer erfahrenen Krankenschwester.

Was uns allerdings leider viel Zeit von unserer eigentlichen Pflegertätigkeit wegnimmt, das ist die Dokumentationspflicht. Die ist natürlich dort sinnvoll, wo der folgenden Schicht eine für den Patienten wichtige Nachricht gegeben wird, zum Beispiel: ‚rote Stelle am linken Fuß‘. Die Kollegen wissen dann Bescheid und kontrollieren, ob es eine Weiterung gibt. Das ist sinnvoll. Aber wir müsssen alles dokumentieren: gewaschen, gekämmt, Zähne geputzt, wieviel gegessen, wieviel getrunken und so weiter. Was nicht dokumentiert ist, gilt hinterher vor Gericht oder bei den Kontrolleuren des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen als nicht gemacht. Ich schätze, daß in den achteinhalb Stunden auf der Station an die 30 Prozent der Arbeitszeit aufs bloße Dokumentieren fallen.

Motivation
Ich habe immer wieder Freude daran, den Patienten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, denn  die wenigsten Patienten kommen nun einmal freiwillig ins Krankenhaus. Das zeichnet mein Krankenhaus aus, daß viele von uns mehr machen, als sie müßten: einen kleine Gefallen tun, eine Kleinigkeit mitbringen etc. Aber manchmal sind es auch größere Dinge. Das war in der Pandemiezeit mit den Besuchsverboten, außer jemand war schwerkrank oder lag im Sterben. Eine Patientin lag schon sehr lange bei uns und wurde immer trauriger, sie telefonierte jeden Tag mit Ihrer Tochter, die lebte nicht in Deutschland. Dann rief die Tochter eines Tages an und sagte, daß sie jetzt in Berlin ist und gerne Ihre Mama besuchen möchte. Da ihre Mutter nicht zu den Ausnahmen gehörte, schien es ausweglos. Ich habe mich dann mit der Tochter vor dem Krankenhaus verabredet und habe ihre Mutter in einen Rollstuhl gesetzt und raus zu ihr gefahren. Sie durften sich nicht drücken und wir hatten zwei Meter Abstand, aber diese Freude bei Mutter und Tochter! Tränen sind reichlich geflossen und es wurde viel gelacht in den zehn Minuten. Danach war die Patientin wie ausgewechselt, sie lächelte wieder und ihre Genesung ging endlich voran.

Aber natürlich wird bei uns auch gestorben, und die Patienten auf ihrem letzten Weg zu begleiten, ihnen einen würdevollen Tod zu bereiten und auch ihre Familie bzw. ihre Angehörigen zu betreuen, ist mir sehr wichtig und motiviert mich ebenfalls bei meiner Arbeit. Traurig ist es nur, wenn mit Kranken unnötige Dinge angestellt werden oder wenn Verwandte bei einem Todgeweihten sinnlose Aktionen fordern.

Zukunft des Berufs
Sorgen macht mir die Zukunft unseres Berufes. Die Menschen werden immer älter und brauchen immer mehr Pflege. Aber immer weniger sind bereit, diesen Beruf zu erlernen. Sogar manche neuen Kolleginnen kündigen schon nach kurzer Zeit wieder. Grundsätzlich gehen junge Kolleginnen von Beginn an auf Teilzeit, weil sie merken: so zu arbeiten ist nicht ein Leben lang möglich. Auch ist selten für sie zu Berufsbeginn ein Mentor zur Anleitung da, meist heißt es einfach: Los, mach! Wenn alle Schwesternschülerinnen wegblieben, würde alles zusammenbrechen, weil auch sie fest eingeplant sind, um die Arbeit zu schaffen.

Aber trotz aller Kritik – ich liebe diesen Beruf. Ich könnte niemals von 8 bis 16 Uhr in einem Büro sitzen. Es ist schön, Menschen durch ganz einfache Sachen glücklich zu machen und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Eine Haarwäsche, eine Fahrt in den Garten oder ein selbstgebasteltes Weihnachtsgeschenk. Dieses ganze Zusammenspiel, um Menschen in einer unschönen Situation zu helfen und ihnen dadurch den Tag zu verschönern. Oder Angehörige in ihrem Kummer aufzufangen. Dieser Beruf ist für mich eine Berufung, und sicher opfere ich mich bisweilen auch auf.“

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