Kulturausschuß macht Weg frei für Gedenken an Zwangsarbeiter des Bezirksamtes Wilmersdorf

Und da waren nach fünf Jahren plötzlich alle Bedenken verschwunden!


Fünf lange Jahre – seit dem ersten Bericht vom 20.1.2015 über das Zwangsarbeiterlager des Bezirksamtes Wilmersdorf in der Wilhelmsaue 40 – hatten Bezirksamt, Kulturausschuß und Gedenktafelkommission deren viele gehabt: Es gebe gar keine Hausnummer 40; vielleicht sei es ein Tipfehler und sollte 4c heißen?; das Lager stehe nicht im Adreßbuch; war denn das Bezirksamt Eigentümer des Grundstücks?; durfte das Bezirksamt überhaupt ein eigenes Lager betreiben?; und einiges mehr. Im Februar kam noch der Antrag der SPD-Fraktion (DS 1438/5) hinzu, der in seiner Ursprungsform die Wilmersdorfer Gedenktafel für die Zwangsarbeiter anderswo angebracht sehen wollte, ohne den bereits im Juli 2017 beschlossenen Standort Wilhelmsaue zu erwähnen.

Gründe für den Meinungswechsel
Wie kam es zu diesem Meinungswechsel? Infrage kommen dafür der Artikel „Neue Dokumente bestätigen Existenz und Ort des Lagers“, am 25.1.2020 (urprünglich in der Berliner Woche) erschienen und sogleich allen zuständigen Lokalpolitikern zugegangen, sowie „Das Zwangsarbeiterlager Wilhelmsaue – Zwangsarbeit für den Bezirk Wilmersdorf. Ein vorläufiger Forschungsbericht“ (6.3.2020, noch nicht veröffentlicht) von Cord Pagenstecher, zu dessen Arbeitsfeld seit Jahren die Zwangsarbeit gehört. Die dritte Möglichkeit ist nach fünf Jahren Suche der Fund eines Telefonverzeichnisses des Bezirksamtes Wilmersdorf von 1944 im Archiv des Bezirkes, in dem auch das „Ausländerlager Wilhelmsaue 39/40“ aufgeführt ist. Dieser Fund sei, so die BzStRin H. Schmitt-Schmelz, allerdings erst vor wenigen Tagen erfolgt und habe sie nun überzeugt, daß das Lager in der Wilhelmsaue „definitiv vom Bezirksamt betrieben“ wurde.

Standorte
Einstimmig beschloß der Ausschuß in seiner Sitzung vom 10. März, daß nunmehr (für Wilmersdorf) sowohl am Haus Wilhelmsaue 40 als auch am Haus Wallenbergstraße 13 eine Gedenktafel angebracht werden soll (für Charlottenburg müsse erst noch geforscht werden). Auf diese Weise würde einerseits erstmals durch eine offizielle Gedenktafel anerkannt, daß Bezirksverwaltungen sich auch der Arbeitskraft von Zwangsarbeitern bedienten, ohne die es dem Dritten Reich unmöglich gewesen wäre, diesen Krieg zu führen. Andererseits wird mit der zweiten Gedenktafel in der Wallenbergstraße an eines der größten Zwangsarbeiterlager in Wilmersdorf erinnert; dort waren 1.800 Arbeiter des Unternehmens „Weserflug“ (heutiger Rechtsnachfolger: Airbus SE) untergebracht, die in den Kellern des Flughafens Tempelhof die Sturzkampfflugzeuge („Stukas“) Ju 87 herstellen mußten.

Letzte Schritte zur Umsetzung
Gleichzeitig wurde einstimmig beschlossen, den Antrag als Dringlichkeitsantrag in die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung vom 19. März einzubringen. Jetzt wird sich die Gedenktafelkommission mit den Details befassen. Vor ihrem Termin am 12. März betonte Jürgen Karwelat von der Berliner Geschichtswerkstatt, er „werde darauf drängen, daß die Tafel für die Wilhelmsaue bis zum Ende des Sommers eingeweiht ist“.

Erste Ergänzung: Jürgen Karwelat legte als Gast in der Sitzung der Gedenktafelkommission vom 12. Märzeinen Entwurfstext für die Tafel in der Wilhelmsaue vor; es handelte sich um den Text der provisorischen Gedenktafel vom Dezember 2017, ergänzt um die Herkunftsländer der Zwangsarbeiter. Die Gedenktafelkommission lehnte es jedoch ab, sich in dieser Sitzung auf einen Text zu einigen, und verschob die Diskussion auf ihre nächste Sitzung in erst drei Monaten am 11. Juni. Karwelats Kommentar: „Ein glückliches Ende in der leidigen Geschichte ist damit noch nicht abzusehen.“
Zweite Ergänzung: In einer im April 2020 erfolgten Antwort auf eine Einwohnerfrage vom November 2019 teilt das Bezirksamt mit:
Perspektivisch strebt das Bezirksamt zentrale Orte in Charlottenburg und Wilmersdorf für eine Erinnerung an Zwangsarbeit an sowie zusätzlich eine Gedenktafel in der Wilhelmsaue 40. Die abschließende Entscheidung über ein würdiges Gedenken wird die Gedenktafelkommission treffen. Daher kann erst aus der gemeinsamen Beschlussfassung ein konkreter Zeitplan für weitere Maßnahmen abgeleitet werden.“ (2. Einwohnerfrage)
Diese Antwort bestätigt einerseits, daß der einstimmige Beschluß des Kulturausschusses vom 10.3. in vollem Umfang vom Bezirksamt akzeptiert wird, andererseits gibt sie durch ihre Umbestimmtheit  Karwelats Befürchtung recht, daß die Umsetzung noch länger auf sich warten lassen wird.

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