Landhausquartier zwischen Denkmalschutz und Erhaltungssatzung

Am 20. Februar war die Auseinandersetzung um die ortstypische Erhaltung des Landhausquartiers (hier: der Teil gegenüber dem Friedhof an der Berliner Straße) in eine neue Phase eingetreten.

Berliner Straße 66-65

Denn an diesem Tag beschloß die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einstimmig die Drucksache 1478/5 „Denkmalschutz für die Wohnhäuser in der Berliner Straße 65/66, Barstraße 11/12 und Brienner Straße 9/10“, worin das Bezirksamt ersucht wird, das Landesdenkmalamt um Prüfung zu bitten, ob die genannten Gebäude samt ihren Gartenanlagen als Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt werden können.

Rasante Entwicklung im Februar

Nach vielmonatigen Diskussionen über die Auslegung der Erhaltungssatzung für das Quartier, in deren Verlauf Stadtentwickungsausschuß und BVV wiederholt die Ausführungen des Stadtrats O. Schruoffeneger „glaubhaft“ gefunden hatten (Ausschußvorsitzende S. Klose im November 2019), bedeutete dies eine Kehrtwende um 180°. Sie kam zustande nach einem Ortstermin des Denkmalbeirats im Januar und seinem Bericht an den Stadtentwicklungsausschuß am 19. Februar. Dort wurde daraufhin einstimmig beschlossen, die Angelegenheit als Dringlichkeitsantrag auf die Sitzung der BVV am folgenden Tag zu bringen und die Annahme zu empfehlen, was dann auch geschah.

Beirat, Ausschuß und BVV gegen Balkone und für ortstypische Erhaltung

Wodurch kam es zu diesem Meinungsumschwung der Bezirksverordneten? Die Expertengruppe hatte die Erhaltungssatzung von 2000 zur Grundlage ihrer Untersuchung gemacht. Dort heißt es, dieses Quartier sei „städtebaulich und siedlungsgeschichtlich einer der bemerkenswertesten Teile des Bezirks Wilmersdorf”.

Außerdem bezog sich die Expertengruppe auf das der Erhaltungssatzung zugrunde liegende Gutachten* und stellte fest (Seite 18 des Gutachtens), daß „Balkone z. B.ausdrücklich nur bei Villen als ortsbildprägende Gestaltung im Bestand erwähnt“ werden (Unterstr. im Orig.). Die Expertengruppe kam zu folgendem, von Ausschuß und BVV gebilligten, Schluß:

Anstatt die bauzeitliche, in sich stimmige Fassadengestaltung durch die projektierten Balkonanbauten aus dem gestalterischen Gleichgewicht zu bringen, die ortstypische Außenansicht zu zerstören und damit das Ortsbild regelrecht zu verschandeln, ist eine Erhaltung der historischen Gestaltung durch eine denkmalorientierte lnstandsetzung dringend erforderlich. Ein Anbau von Balkonen ist unserer Ansicht nach nicht zu genehmigen!

Nach der Entscheidung des Landesdenkmalamtes

Während die verschiedenen Gremien der BVV meinten, daß die ortstypische Erhaltung am besten durch eine Unterdenkmalschutzstellung sicherzustellen sei, war aus Kreisen des Landesdenkmalamt zu erfahren, daß dort die Erhaltungssatzung als völlig ausreichend erachtet werde: „Sie ist das richtige Instrument.“

Diese neue Lage läßt vermuten, daß Stadtentwicklungsausschuß und BVV – falls ihre jeweils einstimmigen Voten weiterhin gelten – sich nun selbst dem als „Verschandelung“ bezeichneten Anbau der Balkone entgegenstellen werden. Dabei werden sie auf folgende Aussage des Stadtrats (10. Einwohnerfrage im Februar 2020) eingehen müssen, in der er seine Sicht auf das Verhältnis von Einzelgebäude zum Gesamtgebiet darstellt: „Die Auswirkungen geplanter baulicher Änderungen auf das Erscheinungsbild eines isoliert betrachteten Einzelgebäudes sind dabei von untergeordneter Bedeutung, auch ist eine Unterscheidung zwischen Landhäusern und Villen hier unbeachtlich. Entscheidend ist vielmehr die städtebauliche Gestalt des Erhaltungsgebiets in seiner Gesamtheit.“

Weitere Überlegungen

Die weitere Beschäftigung mit dem Thema erscheint um so dringlicher, als von Mietern der Häuser Berliner Straße 65/66 berichtet wird, daß schon jetzt Umbauten im Inneren der Häuser stattfinden. Dabei geht es um die Veränderung des Grundrisses einer Wohnung durch Rigipsplatten und den Austausch der ursprünglichen Holzdielen durch Fischgrätenparkett. Ein Mieter kommentierte: „Das ist Kurfürstendamm und nicht Landhaus!“
Und noch ein Gesichtspunkt: Es wäre auch nachzuprüfen, ob nicht der deutsch-jüdische Architekt Alexander Klein (1879-1961) an diesen Häusern beteiligt war. Mögliches Indiz ist seine nachgewiesene Tätigkeit an anderer Stelle im Landhausquartier, nämlich die von ihm entworfene Wohnbebauung in der Ballenstedter Straße 14-16. Die relative Einfachheit der hier infrage stehenden Häuser, von der Expertengruppe als „zurückhaltendes, durchaus vornehm-schlichtes Ensemble“ bezeichnet, könnte ebenfalls für seine Mitarbeit sprechen.
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* Gutachten des Planungsbüros Niemann & Weineck: „Das Landhausquartier in Wilmersdorf. Maßnahmen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart“, November 1994.

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