Am 22. Januar 2025 hielt Jürgen Karwelat, Mitglied der Berliner Geschichtswerkstatt, in der Villa Oppenheim einen Vortrag über Straßennamen und Straßenumbenennungen in Berlin. Der Titel lautete: „Warum kein Adenauerdamm, aber eine Rudi-Dutschke-Straße? Die Geschichte von Benennungen und Umbenennungen der Berliner Straßen“. In Wilmersdorf ging es u.a. um die folgenden Straßen, deren Namen hier ausführlicher erläutert werden:
Die Badensche Straße und einige kleinere Straßen in diesem Viertel – Bruchsaler, Waghäuseler, Kuppenheimer, Durlacher Straße – und in Halensee Karlsruher Straße erinnern an Schlachten in Baden, in denen die preußische Armee im Jahr 1849, geleitet vom Prinzen von Preußen und späteren deutsche Kaiser Wilhelm I., das Revolutionsheer der badischen Demokratiebewegung besiegte. Nach dem Tod des Kaisers Wilhelm I. am 9. März 1888 wurden diese Straßen nach und nach umbenannt, so auch die Prinzregentenstraße, da dieser Kaiser ab 1858 Prinzregent gewesen war. Nach heutigen Maßstäben wäre es undenkbar, diese Straßen nach konterrevolutionären Ereignissen zu benennen. Die Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf beschloss 2004 aber nicht die Um- bzw. Rückbenennung, sondern die Kommentierung. An den jeweiligen Straßen gibt es eine Kurzerklärung. Die Widmung der Straßen war zwar antidemokratisch. Es wäre wohl aber heute kaum vermittelbar, die Straßen mit dieser Begründung umzubenennen. Insofern ist die Kommentierung eine praktische, aber auch angemessene Form, mit der Geschichte dieser Straßen umzugehen.

Die zentrale Erklärungstafel im Volkspark nahe der Fußgängerbrücke über die Bundesallee ist schon seit längerer Zeit nicht mehr vorhanden. Dort konnte man lesen:
„Als Kaiser Wilhelm I. am 9. März 1888 starb, wurden ihm zu Ehren einige Straßen in Wilmersdorf umbenannt. Seine Schlachten gegen die Revolutionäre werden heute anders bewertet. Jetzt stehen diese Straßennamen für die Niederlage der Demokraten.
Nach der Revolution sollte es noch 100 Jahre dauern, bis 1949 mit der Bundesrepublik eine stabile und dauerhafte Demokratie in Deutschland errichtet werden konnte.“
Es wird Zeit, die Tafel neu zu errichten.
Hier die Erläuterung einiger Straßen:
Prinzregentenstraße
Die Prinzregentenstraße erhielt ihren Namen am 16. März 1888, also wenige Tage nach dem Tod des deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797-1888). Er war seit 1858 Prinzregent, seit 1861 König von Preußen und seit 1871 deutscher Kaiser. In der Märzrevolution 1848 setzte er sich zwar für die Bewilligung einer konstitutionellen Verfassung ein, wollte aber die Barrikadenrevolution vom 18. März 1848 in Berlin mit militärischer Gewalt niederschlagen lassen. Bei den Anhängern der Revolution war er daher so verhasst, dass sein Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., ihn nach England schickte. Die Berliner sangen derweil Spottlieder auf den Prinzen:
Schlächtermeister Prinz von Preußen
komm doch, komm doch nach Berlin!
Wir wollen Dich mit Steinen schmeißen
und die Barrikaden zieh’n.
Am 8. Juni 1849 wurde Wilhelm zum Kommandierenden der „Operationsarmee in Baden und in der Pfalz“ ernannt und unterwarf innerhalb weniger Wochen die Truppen der Aufständischen.
Badensche Straße
Die deutsche Märzrevolution begann in Baden, und hier endete sie auch mit der Einnahme der Festung Rastatt durch preußische Truppen. Als erste revolutionäre Aktion gilt die Mannheimer Volksversammlung am 27. Februar 1848. Die Revolution im Mai 1849 führte zu einer neuen provisorischen demokratischen Regierung. Ein erstes Gefecht der badischen Volkswehr gegen hessische Truppen fand am 30. Mai 1849 bei Heppenheim statt. Das Ende der Revolution war mit der Niederlage der badischen Revolutionsarmee in der Festung Rastatt am 23. Juli 1849 gekommen. Innerhalb weniger Wochen hatte der preußische Prinz Wilhelm als Oberkommandierender der Operationsarmee die Truppen der Revolutionäre in der Pfalz und in Baden besiegt. Die Badensche Straße erinnert an diesen Sieg über die Demokraten. Sie erhielt ihren Namen am 16. März 1888, also wenige Tage nach dem Tod des damaligen preußischen Heerführers.

Waghäuseler Straße
Die Waghäuseler Straße erinnert an das Gefecht von Waghäusel am 20. und 21. Juni 1849, in dem preußische Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Wilhelm die badischen Revolutionäre zurückdrängen konnten. Die Schlacht von Waghäusel leitete den Anfang vom Ende der badischen Revolution ein. Die Straße erhielt 1892 ihren Namen.
Bruchsaler Straße
Am 23. Juni 1849 besiegte Prinz Wilhelm von Preußen in der Nähe von Bruchsal eine Formation der badischen Aufständischen. Anschließend besetzten die preußischen Truppen die Stadt, in der die demokratisch gesinnte Bevölkerung einen Monat zuvor zahlreiche bedeutende Revolutionäre aus den Gefängnissen befreit und damit ein deutliches Zeichen für ihren Freiheitswillen gesetzt hatte. Die Straße erhielt 1896 den Namen Bruchsal Straße und heißt seit dem 30. Juni 1908 Bruchsaler Straße.
Durlacher Straße
Bei Durlach – heute einem Stadtteil von Karlsruhe in Baden-Württemberg – fand am 25 .Juni 1849 ein Gefecht zwischen den etwa 19.000 preußischen Soldaten und den etwa 4.000 Köpfe zählenden badischen Revolutionären statt. An diese Schlacht erinnert die Durlacher Straße. Sie erhielt am 16. März 1888 ihren Namen. Nach der Schlacht zog der Sieger Prinz Wilhelm von Preußen in die Landeshauptstadt Karlsruhe ein.
Karlsruher Straße
Die Besetzung Karlsruhes durch preußische Truppen begann am 26. Juni 1849. Großherzog Leopold von Baden, der in der Nacht vom 13. zum 14. Mai 1849 aus der Residenzstadt geflohen war, kehrte zurück und übernahm wieder die Regierung. Sämtliche demokratischen Bestrebungen wurden nun unterbunden, und Leopold akzeptierte, dass Preußen die Kontrolle über das Land ausübte. Der Name der Karlsruher Straße erinnert an diesen Triumph des späteren deutschen Kaisers. Die Straße erhielt am 6. Oktober 1905 ihren Namen.
Kuppenheimer Straße
Die Benennung der Kuppenheimer Straße erinnert an die blutige Niederschlagung der badischen Revolution durch preußische Truppen unter Prinz Wilhelm am 29. und 30. Juni 1849. Von Kuppenheim aus wurde auch die Belagerung der Festung Rastatt geleitet. Die Straße erhielt 1892 ihren Namen.
Rastatter Platz (heute Breitenbachplatz)
In dem badischen Ort Rastatt war das Ende der Revolution am 23. Juli 1849 gekommen. Nach dreiwöchiger Einschließung kapitulierte die Revolutionsarmee. Standgerichte verurteilten 27 Revolutionäre zum Tode. Allein in Rastatt wurden 19 Todesurteile vollstreckt. Heute befindet sich in Rastatt die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“. Der Rastatter Platz erhielt am 8. Januar 1892 seinen Namen. Die Umbenennung in Breitenbachplatz erfolgte am 26. August 1913 anlässlich der Eröffnung der Wilmersdorfer U-Bahnlinie nach Dahlem. Damit sollte der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten Paul von Breitenbach geehrt werden, der einen wesentlichen Anteil am Bau der U-Bahn hatte.
Weitere historische Ereignisse zwischen 1813 und 1871 dienten ebenfalls dazu, um in Wilmersdorf mit Straßenbenennungen des „Heldenkaisers“ zu gedenken; siehe dazu die Einleitung hier.